G.W. Pabst – Der sozialkritische Film

Im Zuge der »Neuen Sachlichkeit« in der Kunst griff er die sozialen Fragen der Gegenwart auf und machte Filme, die heute noch wegen ihrer großen künstlerischen Kraft bei Filmfestspielen gezeigt werden. Pabsts erster großer sozialkritischer, auch »proletarischer Film«, mit dem er international bekannt wurde, hieß »Die freudlose Gasse« nach einem Roman von Hugo Bettauer (1925). Der Film mit großartigen Szenen und Kulissen wurde in Berliner Studios aufgenommen, mit den Schauspielstars Greta Garbo, Asta Nielsen und Werner Krauß. Er spielt im stark von der Inflation geprägten Wien der Gegenwart und gilt international als Höhepunkt der Neuen Sachlichkeit im Film. In Frankreich erreichte Pabst damit fast noch mehr Ruhm als im deutschsprachigen Raum.

Die Filme der deutschen Neuen Sachlichkeit bemühten sich um Realismus bei ihrer Handlungsthematik, der Spielweise der Darsteller, aber auch der Auswahl authentischer Filmsets. Erst seit Georg Wilhelm Pabsts »Die freudlose Gasse« begann eine weitgehende Abkehr vom Expressionismus hin zu sozialkritisch-realistischen Themen. Freudlose Gassen gab es im Wien von 1921 viele. Im 7. Bezirk wurde gehungert und die Wäsche über die Rumpel gezogen, im 1. Bezirk wurde zur selben Zeit flaniert, verkauft und intrigiert. Die Melchiorgasse vereinte Luxus und Elend zu einer bitteren Melange: Hier trafen sich Gewinner und Verlierer, Mizzis und Freier. Sie alle waren auf der Suche nach fleischlichen Gelüsten für Magen und Sinne.

G.W. Pabst 1931 bei den Dreharbeiten zum Film „Die Dreigroschenoper“.
Aus Wikimedia Commons

Ein schweres Grubenunglück, das sich am 10. März 1906 auf der Zeche der Compagnie de Courrieres im nordfranzösischen Kohlerevier ereignete, inspirierte G. W. Pabst zu einem weiteren seiner großen Werke: »Kameradschaft« (1931) – ein »pazifistisches Manifest« über die friedliche Verständigung zwischen den Völkern, das den mehr als 1000 bei einer Explosion unter Tag ums Leben gekommenen französischen Grubenarbeitern wie auch den aus Deutschland herbeigeeilten Rettern ein Denkmal setzte. Die »Helden« dieses Filmes sind die Bergleute, deutsche und französische. Pabst vermied das Pathos des Wortes und der Geste in den Verbrüderungsszenen. Dennoch waren die Bilder des einstürzenden Schachtes, des berstenden Gebälks, des hereinbrechenden Grundwassers, der aufwirbelnden Wolken von Staub und Rauch von großer Kraft.

Die Strömung der Neuen Sachlichkeit fand mit der Filmpolitik der Nazis ihr Ende. In Hollywood, wo er einige Jahre arbeitete, scheiterte Pabst mit dem Film »A Modern Hero« 1934. 1936 kehrte er nach Frankreich zurück, ohne in Hollywood noch einen weiteren Film inszeniert zu haben. In Frankreich drehte er bis 1939 drei weitere Filme. Noch im Jahr 1938 beschloss er, endgültig in die USA zu gehen. Er wurde allerdings im September 1939 durch den Ausbruch des Zweiten Weltkriegs in Österreich, wo er gerade seine Familie besuchte, überrascht. Da er das Deutsche Reich nicht mehr verlassen konnte, drehte er nun für die Bavaria Film. Sein Verhalten wurde ihm später als Opportunismus vorgeworfen.

Eine der hervorragendsten Leistungen nach dem Zweiten Weltkrieg stellte der Film »Der Prozeß« dar, ein Zeitdokument, für das Pabst auf der Biennale in Venedig ausgezeichnet wurde. G. W. Pabst erhielt den Ehrenring der Stadt Wien. Er half der Stadt Wien auch, eine neue Filmproduktionsgesellschaft (Kiba) nach dem Krieg zu gründen (1947), an der sie selbst beteiligt war. Ziel war es, den österreichischen Film wieder zu einer inhaltlichen Qualität zu führen. So hieß es: »Die Beteiligung des Filmkünstlers G.W. Pabst und die Mitwirkung der Stadt Wien an der neuen Gesellschaft bietet die Gewähr dafür, dass das neue Unternehmen nur künstlerisch hochwertige Filme erzeugen wird, die imstande sind, auch das Ansehen des österreichischen Films im Ausland wieder herzustellen.« Ein internationaler Erfolg wurde auch »Der letzte Akt« (1955) – ein Film über den Untergang des Dritten Reiches. G.W. Pabst blieb aber stets einer der großen Unbekannten des deutschen Films.

Aus: Monika Salzer/Peter Karner: Vom Christbaum zur Ringstraße. Evangelisches Wien. 2., verbesserte Auflage, Wien 2009, S. 117-119.

Georg Wilhelm PABST

(besser bekannt als G.W.Pabst)

Geboren am 27. August 1885 in Raudnitz, Böhmen.
Gestorben am 29. Mai 1967 in Wien.

Schauspieler, Filmregisseur

Georg Wilhelm Pabst wuchs in Wien auf und absolvierte ab 1901 ein Schauspielstudium am Konservatorium. Ab 1906 erhielt er als Schauspieler Engagements in Österreich, der Schweiz und Deutschland. 1910 ging er an das Deutsche Theater in New York, wo er vor allem als Regisseur erfolgreich war, und widmete sich schließlich vermehrt diesem Tätigkeitsfeld. Bei Ausbruch des Ersten Weltkriegs befand er sich aus beruflichen Gründen in Frankreich und wurde dort bis 1919 interniert. Nach Wien zurückgekehrt war er Regisseur an der Neuen Wiener Bühne bis sich 1921 über den Regisseur Carl Froelich (1875–1953) erste Kontakte zur Filmindustrie ergaben.

Pabst wirkte zunächst als Filmdarsteller sowie Drehbuchautor und debütierte 1923 mit dem Film „Der Schatz“ als Regisseur. Der 1925 entstandene Film „Die freudlose Gasse“ nach einem Roman von Hugo Bettauer begründete seinen Ruf als Regisseur der Neuen Sachlichkeit, als Exponent eines sozial engagierten Kinos und als führender Regisseur des deutschen Filmrealismus.

Es folgten zahlreiche künstlerisch wertvolle und kommerziell erfolgreiche Filme, 1930 mit Westfront 1918 seinen erster Tonfilm. 1933 ging Pabst nach Frankreich, war von 1934 bis 1936 erfolglos in Hollywood tätig, dann wieder in Europa.

1939 vom Kriegsausbruch überrascht und durch Krankheit an der Ausreise in die USA gehindert, blieb und arbeitete Pabst in Deutschland, was ihm den Ruf eines Opportunisten einbrachte.

Nach dem Zweiten Weltkrieg drehte Pabst in Österreich, Italien und Deutschland neben wenig erfolgreichen Genrefilmen immer wieder Filme, die sich kritisch mit dem NS-Regime auseinandersetzen. Diese Projekte konnten jedoch künstlerisch nicht an seine früheren Werke anknüpfen. Einzig seine Operninszenierungen in der Arena von Verona brachten ihm den ersehnten Erfolg. Pabsts Erkrankung an Parkinson machte 1957 schließlich eine Fortsetzung seiner Filmarbeit unmöglich.

1963 erhielt Pabst den Bundesfilmpreis und die historische Retrospektive der Internationalen Filmfestspiele Berlin leitete 1997 mit restaurierten und rekonstruierten Fassungen seiner Filme eine Neubewertung seines Werks ein.

Pabst war evangelisch A.B., der Bruder von Christian Brodas Mutter Viola Pabst und seit 1924 mit Gertrude Hennings, der Schwester des Drehbuchautors Willi Hennings, verheiratet. Das Ehepaar hatte zwei Söhne.

1948 wurde Pabst mit dem Ehrenring der Stadt Wien ausgezeichnet, 1965 ernannte ihn das österreichische Unterrichtsministerium zum Professor ehrenhalber. Er erhielt ein Ehrengrab am Wiener Zentralfriedhof und 1968 die Georg-Wilhelm-Pabst-Gasse im 10. Wiener Gemeindebezirk ist nach ihm benannt.

 

 

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