Lothar MÜTHEL

(bürgerlicher Name Lothar Max Lütcke)

Geboren am 18. Februar 1896 in Berlin.
Gestorben am 4. September 1964 in Frankfurt/Main.

Schauspieler, Regisseur.

Lothar Müthel war nach seiner Ausbildung an der Max Reinhardts Schauspielschule in Berlin zunächst als Schauspieler am Theater tätig (Deutschen Theater Berlin, Nationaltheater Bukarest, Landestheater Darmstadt, Schauspielhaus München) und spielte kleinere Rollen in Filmen.

In den 1930er Jahren war Lothar Müthel, der 1933 Mitglied der NSDAP geworden ist, ein wichtiger Regisseur am Preußischen Staatstheater Berlin und von 1939 bis 1945 Direktor des Wiener Burgtheaters. Außerdem war er von 1. September 1941 bis 31. Dezember 1942 interimistischer Leiter der Staatsoper. 1943 wurde er Generalintendant der Staatstheater und damit de facto auch künstlerischer Leiter der Oper; er beschränkte sich jedoch auf die Leitung des Burgtheaters und überließ die Leitung der Oper Karl Böhm. Nach dem Krieg war er als Schauspieler und Regisseur in Weimar tätig, von 1951 bis 1956 Schauspieldirektor an den Städtischen Bühnen in Frankfurt am Main und von 1955 bis 1958 Regisseur am Theater in der Josefstadt in Wien.

Lothar Müthel war mit der Sängerin Marga Reuter verheiratet und ist der Vater der Schauspielerin Lola Müthel.

Er wurde auf dem Wiener Zentralfriedhof (33E-3-22) in einem ehrenhalber gewidmeten Grab beigesetzt.

 

Weblinks (Auswahl):

 

Oskar Werner – Das Wunderkind der Burg

Mit dem Namen Oskar Werner schwingt Wien in seiner Ambivalenz mit wie bei keinem anderen Schauspieler: eine Zerbrechlichkeit und Innigkeit, die in seiner besonderen Sprache zum Ausdruck kam und die Menschen aufs Tiefste berührten, und das aufrührerische, schwierige Temperament, das ihm den Ruf des Stars und des Rebellen einbrachte. Hans Moser sah in ihm einfach ein Wunderkind. Mit Oskar Werner wurde die nach dem Zweiten Weltkrieg wiedergewonnene Freiheit der Republik identifiziert. Der grauenhaften Zeit des NS-Regimes, die auch das Burgtheater und ihn selbst als Burgschauspieler systematisch in ihren Beschlag genommen hatte, folgte ein neuer Aufbruch. Oskar Werner bediente den Auferstehungsmythos. Nach der Unterzeichnung des Staatsvertrags im Mai 1955 und der Eröffnung des Burgtheaters im Oktober schien die zweite Eröffnungspremiere mit Don Carlos einen therapeutischen Charakter zu haben: »Im Ausdruck und in der innigen Beschwörung der Herzen findet er gleicherweise den Ton, der uns sofort für diese Gestalt gewinnt, der uns alle einbezieht in das schwere Geschick des Infanten und seiner unglückseligen Liebe zu seiner Stiefmutter, seines Schwankens zwischen Persönlichstem und völkerbefreiender Staatsaufgabe.« (Die Presse, 25.10.1955)

So glücklich, sagte Oskar Werner, sei er noch nie gewesen wie bei den Don-Carlos-Proben mit Werner Krauß unter der Regie von Josef Gielen. Während im Burgtheater auf die Forderung nach Gedankenfreiheit des Marquis de Posa applaudiert wurde, tanzten am Rathausplatz zur Wiedereröffnung der Burg die Wienerinnen und Wiener Strauß-Walzer.

Schon als Kind war Oskar Werner ein Theater- und Filmfan. Die Großmutter nahm ihn ins Theater auf den Stehplatz mit und Onkel Franz brachte ihn als Statisten dann bei der Sascha-Film unter. Oskar Bschließmayer – wie Oskar Werner bei seiner Geburt hieß – war damals in der Realschule. Die eindrücklichsten Erlebnisse seiner Jugend waren die Schrecken nach dem »Anschluss«, als in Wien die Synagogen brannten, jüdische Mitbürger verhöhnt und misshandelt wurden und er als 16-Jähriger zuschauen musste. Er war daher sein Leben lang ein unbeugsamer Gegner von Faschismus und Diktatur.

Mit 20 Jahren sprach er nach kurzer Ausbildung in einer Schauspielschule am Burgtheater vor und wurde sofort aufgenommen. Acht Wochen später musste er in den Krieg. Vom Arbeitsdienst, der ihn fast in den Selbstmord trieb, befreite ihn der von den Nationalsozialisten tolerierte Burg-Direktor Lothar Müthel durch ein Engagement an die Burg. In der Bahnhofwachkompanie tagsüber und nachts in der Burg lebte er drei Jahre ein Doppelleben, bis er 1944 desertierte und bis Kriegsende untertauchen konnte. Die Schauspielerkollegin Elisabeth Kallina, die er 1944 heiratete, und sein Kind flüchteten mit ihm.

In der Burg feierte er von 1941 bis 1949 Erfolge. Er verließ sie jedoch abrupt, weil er keine Chance sah, seine Visionen verwirklichen zu können. Der für ihn zu aufgeblähte Beamtenapparat ersticke bei ihm jeden Keim von Kreativität. Er wolle nicht mehr mit »Analphabeten« verhandeln, die mehr Theaterpolitiker als Theaterkünstler seien. Im Theater in der Josefstadt fand er die Rolle, die ihm seelisch verwandt war und die größten Erfolge bescherte: Hamlet. 1951 bis 1955 und 1960 bis 1961 spielte er erneut an der Burg. 1953 konnte er auch international ein großes Publikum begeistern: in Frankfurt am Main mit dem Regisseur Müthel. Die Rolle? Hamlet. »Dieser junge Schauspieler erschüttert seit Monaten das sonst so kühle und kritische Publikum der Goethe-Stadt und reißt es zu unerhörten Beifallsstürmen hin«, schrieb Franz Theodor Csokor. Seine größten Rollen am Theater waren Tasso, Don Carlos, Heinrich V. und Hamlet.

1948 gelang ihm mit dem Film »Der Engel mit der Posaune« sein erster Filmerfolg, weitere Filme brachten Weltruhm: »Entscheidung vor Morgengrauen« (1950), »Der letzte Akt« (1955), »Jules und Jim« (1962), »Das Narrenschiff« (1965, Oscarnominierung), »Der Spion, der aus der Kälte kam« (1965), »Fahrenheit 451« (1966). Als das Regietheater zunehmend an Bedeutung gewann, stürzte Werner in eine schwere Krise. Seine Antwort war: »Ich bin ein Protestant, ich protestiere gegen den heutigen Zeitgeist«. Und an anderer Stelle: »Ich werde nie gehorchen – nie«.

Ernst Haeussermann, Burgdirektor von 1959 bis 1968, bat ihn 1961 zu bleiben: »Als ersten Schritt der Autonomie des Burgtheaters möchte ich dich nochmals bitten, dem Burgtheater und unserer Freundschaft treu zu bleiben. Wie sagt Carlos? – »Es ist mein letzter, verzweifelter Versuch.«« Oskar Werners Antwort kam prompt: »Dank für nachgesandtes Telegramm, muss mir selber treu bleiben. Posa sagt: – »Ich kann nicht Fürsten Diener sein.« – Ich nicht von Beamten und Regisseuren – sehr herzlich dein Oskar Werner«. Wie Romy Schneider wurde Oskar Werner ein internationaler Nachkriegs-Filmstar, der aus der kulturellen Tradition des Theaters in Wien kam und in ihr lernte und zugleich die Enge Österreichs nicht ertragen konnte und ausbrach.

 

Aus: Monika Salzer/Peter Karner: Vom Christbaum zur Ringstraße. Evangelisches Wien. 2., verbesserte Auflage, Wien 2009, S. 151-153.

G.W. Pabst – Der sozialkritische Film

Im Zuge der »Neuen Sachlichkeit« in der Kunst griff er die sozialen Fragen der Gegenwart auf und machte Filme, die heute noch wegen ihrer großen künstlerischen Kraft bei Filmfestspielen gezeigt werden. Pabsts erster großer sozialkritischer, auch »proletarischer Film«, mit dem er international bekannt wurde, hieß »Die freudlose Gasse« nach einem Roman von Hugo Bettauer (1925). Der Film mit großartigen Szenen und Kulissen wurde in Berliner Studios aufgenommen, mit den Schauspielstars Greta Garbo, Asta Nielsen und Werner Krauß. Er spielt im stark von der Inflation geprägten Wien der Gegenwart und gilt international als Höhepunkt der Neuen Sachlichkeit im Film. In Frankreich erreichte Pabst damit fast noch mehr Ruhm als im deutschsprachigen Raum.

Die Filme der deutschen Neuen Sachlichkeit bemühten sich um Realismus bei ihrer Handlungsthematik, der Spielweise der Darsteller, aber auch der Auswahl authentischer Filmsets. Erst seit Georg Wilhelm Pabsts »Die freudlose Gasse« begann eine weitgehende Abkehr vom Expressionismus hin zu sozialkritisch-realistischen Themen. Freudlose Gassen gab es im Wien von 1921 viele. Im 7. Bezirk wurde gehungert und die Wäsche über die Rumpel gezogen, im 1. Bezirk wurde zur selben Zeit flaniert, verkauft und intrigiert. Die Melchiorgasse vereinte Luxus und Elend zu einer bitteren Melange: Hier trafen sich Gewinner und Verlierer, Mizzis und Freier. Sie alle waren auf der Suche nach fleischlichen Gelüsten für Magen und Sinne.

G.W. Pabst 1931 bei den Dreharbeiten zum Film „Die Dreigroschenoper“.
Aus Wikimedia Commons

Ein schweres Grubenunglück, das sich am 10. März 1906 auf der Zeche der Compagnie de Courrieres im nordfranzösischen Kohlerevier ereignete, inspirierte G. W. Pabst zu einem weiteren seiner großen Werke: »Kameradschaft« (1931) – ein »pazifistisches Manifest« über die friedliche Verständigung zwischen den Völkern, das den mehr als 1000 bei einer Explosion unter Tag ums Leben gekommenen französischen Grubenarbeitern wie auch den aus Deutschland herbeigeeilten Rettern ein Denkmal setzte. Die »Helden« dieses Filmes sind die Bergleute, deutsche und französische. Pabst vermied das Pathos des Wortes und der Geste in den Verbrüderungsszenen. Dennoch waren die Bilder des einstürzenden Schachtes, des berstenden Gebälks, des hereinbrechenden Grundwassers, der aufwirbelnden Wolken von Staub und Rauch von großer Kraft.

Die Strömung der Neuen Sachlichkeit fand mit der Filmpolitik der Nazis ihr Ende. In Hollywood, wo er einige Jahre arbeitete, scheiterte Pabst mit dem Film »A Modern Hero« 1934. 1936 kehrte er nach Frankreich zurück, ohne in Hollywood noch einen weiteren Film inszeniert zu haben. In Frankreich drehte er bis 1939 drei weitere Filme. Noch im Jahr 1938 beschloss er, endgültig in die USA zu gehen. Er wurde allerdings im September 1939 durch den Ausbruch des Zweiten Weltkriegs in Österreich, wo er gerade seine Familie besuchte, überrascht. Da er das Deutsche Reich nicht mehr verlassen konnte, drehte er nun für die Bavaria Film. Sein Verhalten wurde ihm später als Opportunismus vorgeworfen.

Eine der hervorragendsten Leistungen nach dem Zweiten Weltkrieg stellte der Film »Der Prozeß« dar, ein Zeitdokument, für das Pabst auf der Biennale in Venedig ausgezeichnet wurde. G. W. Pabst erhielt den Ehrenring der Stadt Wien. Er half der Stadt Wien auch, eine neue Filmproduktionsgesellschaft (Kiba) nach dem Krieg zu gründen (1947), an der sie selbst beteiligt war. Ziel war es, den österreichischen Film wieder zu einer inhaltlichen Qualität zu führen. So hieß es: »Die Beteiligung des Filmkünstlers G.W. Pabst und die Mitwirkung der Stadt Wien an der neuen Gesellschaft bietet die Gewähr dafür, dass das neue Unternehmen nur künstlerisch hochwertige Filme erzeugen wird, die imstande sind, auch das Ansehen des österreichischen Films im Ausland wieder herzustellen.« Ein internationaler Erfolg wurde auch »Der letzte Akt« (1955) – ein Film über den Untergang des Dritten Reiches. G.W. Pabst blieb aber stets einer der großen Unbekannten des deutschen Films.

Aus: Monika Salzer/Peter Karner: Vom Christbaum zur Ringstraße. Evangelisches Wien. 2., verbesserte Auflage, Wien 2009, S. 117-119.