Max Böhm – Die große Chance

Max Böhm war zu seiner Zeit einer der populärsten Österreicher überhaupt. Sogar seine Auftritte in der Werbung waren Publikumserfolge. Er war einer der wenigen, die sich jahrzehntelang in der Publikumsgunst ganz oben zu erhalten verstanden. Schon in der Nachkriegszeit, als die Österreicher wegen der politischen Verhältnisse nicht viel zu lachen hatten, haben seine regelmäßigen Auftritte ein ganzes Land lachen lassen. Er hätte das Zeug zu einem ganz großen Entertainer gehabt, gerade in seinen großartigen Parodien, aber für eine Weltkarriere war Österreich offensichtlich zu klein. Böhm hatte nicht nur viel Humor, er hatte auch die Begabung, seinen Humor in vielen dramatischen und dichterischen Formen zu gestalten. »Maxi« nannten ihn die Leute bald, Maxi Böhm. Über dieses »i« war er gar nicht glücklich, da er darin eine Verniedlichung seiner dramatischen und literarischen Ambitionen sah. Aber Max Böhm war nicht nur in seiner ernsten Lyrik wie etwa in dem Gedicht »An jenem Tag« stark, er war es eben auch als Schauspieler und Kabarettist. Aber man frage nur Raimund und Weinheber, die wissen auch etwas von der Verurteilung des genialen Österreichers zum Lustigen und Volkstümlichen zu sagen.

Schon als Kind kam er mit dem Theater in Berührung, da sich sein Vater, der Kurarzt von Teplitz-Schönau war, auch als Theaterkritiker betätigte. Sein Vater verbot ihm die »Komödiantereien«. Doch Max Böhm, der schon damals wegen seiner parodistischen Begabung die Leute zum Lachen bringen konnte, machte erste Theatererfahrungen auf der Bühne der Nachbarstadt Turn unter dem Pseudonym Heinz Lindner. 1933, mitten im Schuljahr, nahm er Reißaus nach Berlin und wurde Statist am staatlichen Schauspielhaus. 1935 legte er in Prag eine großartige Schauspielprüfung hin. Er debütierte in Eger und spielte anschließend an Bühnen in Marienbad, Karlsbad, Franzensbad, Teplitz-Schönau und Reichenberg -– später war »Bei uns in Reichenberg« eines seiner geflügelten Worte. Ernst Waldbrunn war sein Partner, dann in Bremen Bernhard Wicki. Bis Kriegsende war er in der Wehrmachtsbetreuung tätig, konnte aber mit Sondergenehmigung auch weiterhin im Bremer Schauspielhaus auftreten. 1945 begann er als Conferencier in Linz, wo er als Autor, Darsteller und Regisseur in Peter Heys »Eulenspiegel« engagiert wurde. Übrigens: Böhm und Hey waren auch wegen ihrer angenehmen, unverwechselbaren Stimmen sehr beliebt. Der Sender Rot-Weiß-Rot. bekam mit ihm den ersten österreichischen Quiz- und Showmaster. Als Conferencier präsentierte er Quiz- bzw. Sendereihen wie »Versuche dein Glück«, »Die große Chance«, »Freu dich nicht zu früh« und »Schach dem König«. 1952 wählten ihn die Leser der Radiowoche zum populärsten Österreicher. Ab 1948 arbeitete er als Schauspieler in Wien. Karl Farkas engagierte ihn ans Simpl, dort blieb er 17 Jahre. In unzähligen Radiosendungen und Fernsehserien sprach und spielte er, z.B. in »Hotel Sacher, Portier« mit Fritz Eckhardt. 1976 wurde er Ensemblemitglied des Theaters in der Josefstadt und trat daher auch in den Kammerspielen auf. Längst war er Österreichs Entertainer Nummer eins und Starparodist (Leonard Bernstein, Gilbert Becaud u.a.). Seine letzte Rolle in der Josefstadt, zugleich Glanzrolle, war der Theaterdirektor Striese im »Raub der Sabinerinnen«.

Max Böhm »An jenem Tag«
An jenem Tag, der einmal kommen muss,
wird selbstverständlich alles weitergeh‘n wie bisher,
als wäre nichts Besonderes vorgefallen.
Nur das Theatergebäude, in welchem ich mich als Komiker verkleidet hatte,
wird einen schwarzen Stoff in den Wind hängen.
An jenem Tag, der einmal kommen muss:
Zeitungen werden mein Bild zeigen
»Wieder einer von der alten Garde-,
»Wir werden seiner gedenken!«
Eine Minute im Radio. Und die werden mir das Geleit geben,
die im Leben so wenig mit mir gegangen sind.
An jenem Tag, der einmal kommen muss – an den Fingern
einer einzigen Hand wird man sie abzählen können,
die ehrlich um mich trauern, denen der Verlust wirklich weh tut.
Euch segne ich, sende euch Trost – bald wird alles vergessen sein.
An jenem Tag – das Tor zum Licht wird für mich aufgetan sein.
Ich werde alle Bindungen und Verwirrungen lösen können.
Ich werde erkennen die große Wirklichkeit.
Wahrscheinlich — nein, sogar bestimmt – werde ich unsagbar
glücklich sein und grenzenlos zufrieden sein.
Denn: An jenem Tag hinter jenem, goldenen Tor wird e in riesiges Theater sein.
Mit Kollegen, die immer kollegial sind,
mit Kritikern, die immer sachlich sind,
mit Regisseuren, die immer geduldig sind,
die himmlischen Heerscharen mein Publikum.
Und ich werde alle zum Lachen bringen.
Aber plötzlich einmal – ganz unerwartet –
werde ich mittendrin – ganz unerwartet –
etwas ganz Wesentliches sagen dürfen,
etwas, das uns alle betrifft.
Und alle werden mit dem Kopf nicken
an jenem Tag und sagen:
»Das war richtig so! Das war wichtig so!
Da spürt man doch, dass er auch ein Mensch war!«
Und sie werden einen himmelblauen Stoff in den Wind hängen,
einen strahlenden Rundhorizont um die ganze weite Erde,
und ich werde sehr zufrieden sein
an jenem Tag
an jenem Tag
an jenem Tag

Max Erich Octavian Böhm (*23.8.1916 Teplitz- Schönau/CZ, gest. 26.12.1982 Wien). Sein Vater war Badearzt in Teplitz-Schönau und Theaterkritiken. Max Böhms langjährige Freundschaft mit dem Wiener reformierten Pfarrer Alexander Abrahamowicz hat ihn und seine Familie bis zum Übertritt begeistert. Im Unterschied zu manch anderen Künstlerfamilien waren die Böhms keine »Karteileichen«. Max Böhm hat sogar eine Zeit lang in der Reformierten Stadtkirche Kindergottesdienste gehalten. Er besaß die »Schrattvilla« in Bad Ischl. Nach der Stilllegung der Salzkammergut-Lokalbahn kaufte er einen ihrer Personenwagen. Dieser Waggon gelangte später in den Besitz des Waldviertier Schmalspurbahnvereins und wird jetzt als »Max-Böhm-Waggon« in Nostalgiezügen eingesetzt. Immer noch aktiv ist die von Böhm gegründete »Max-Böhm-Gesellschaft«, die durch die Einnahmen von literarischen Veranstaltungen die Rudolf-Steiner-Schule im Schloss Pölzleinsdorf unterstützt.

Zentralfriedhof, Ehrengrab Gr. 32C Max-Böhm-Hof: eine städtische Wohnhausanlage in Wien, 8. Bezirk, Tilgnergasse Max-Böhm-Gesellschaft
»Max-Böhm-Büste« (Angelika Eder, Bronze 1983) im Foyer der Kammerspiele.

Aus: Monika Salzer/Peter Karner: Vom Christbaum zur Ringstraße. Evangelisches Wien. 2., verbesserte Auflage, Wien 2009, S. 42–44.

 

 

 

Max Johann Heinrich PAULSEN

(Pseudonym Peter Petersen)

Geboren am 18. November 1876 in Hamburg/D,
Gestorben am 11. März 1956 in Wien.

Schauspieler, Regisseur und Theaterleiter.

Schauspielunterricht bei Paul Schumann. 1894 Debüt in Rastatt. Nach Zwischenstationen in Konstanz, Bern sowie Weimar kam Max Paulsen 1896 für zwei Spielzeiten nach Berlin (ans Hoftheater) und übersiedelte 1898 nach Wien.

Von 1898 bis1923 und von 1947 bis1956 war er am Burgtheater tätig, in der Saison 1922/23 als dessen Leiter. Unter ihm wurde als zweite Bühne das Akademietheater mit Goethes »Iphigenie« eröffnet. Als Direktor war er 1922/23 auch Professor an der Wiener Akademie für Musik und darstellende Kunst. Wegen eines Gagenstreits resignierte er als Direktor und kehrte erst 1947 als Bühnenschauspieler an das Burgtheater zurück.

In den dreißiger Jahren drehte er zahlreiche Filme. 1934, zum Beispiel, entdeckte ihn Willi Forst für den Film »Maskerade«.

Max Pauls war mit Hedwig Bleibtreu verheiratet, evang. A.B. und wurde am Friedhof Pölzleinsdorf bestattet.

 

Siehe auch:

  • Das Burgtheater – Direktoren
    In: Monika Salzer/Peter Karner: Vom Christbaum zur Ringstraße. Evangelisches Wien. 2., verbesserte Auflage, Wien 2009, S. 169.

 

Weblinks (Auswahl):

 

Hedwig Bleibtreu – Der Schlüssel der Burg

Als Fürstin Eugenie in der Uraufführung von Franz Molnárs »Olympia« schrieb sie 1930 Theatergeschichte, und als sie 1948 die Rolle der Vermieterin im Kultfilm »Der dritte Mann« annahm, konnte sie bereits auf eine mehr als 50 Jahre dauernde Schauspielerinnenkarriere mit gut 300 Rollen zurückblicken. Zur Feier ihres 60jährigen Bühnenjubiläums erwiesen ihr auf dem Ballhausplatz Bundespräsident, Bundeskanzler und diplomatisches Corps ihre Reverenz. Anschließend spannten ihre Fans, altem Brauch folgend, die Pferde des Fiakers aus, um die Gefeierte selbst durch Wiens Straßen zu ziehen. Sie gehörte 63 Jahre lang dem Ensemble an. Auch als alte Dame erreichte Hedwig Bleibtreu in Theater und Film ungeahnte Popularität. Noch als 88-Jährige stand sie auf der Bühne. Als sie starb, wurde sie als einzige Schauspielerin auf der Bühne des Burgtheaters aufgebahrt.

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde ihr der Schlüssel des bombengeschädigten Burgtheaters anvertraut und sie sprach den Prolog anlässlich der Wiedereröffnung des Burgtheaters: ein hoher Symbolwert. Ihre Rollen gingen mit ihrem Älterwerden einher: Sie spielte von der jungen Frau zur Greisin. Der Durchbruch gelang ihr mit der »Jungfrau von Orleans« 1893. Weitere Glanzrollen waren u.a. die Leonore im »Fiesco«, die Königin im »Don Carlos«, die Bertha in der »Ahnfrau«.

Sie war eine der letzten Vertreterinnen des »hohen tragischen Stils«, die auf Grund ihrer Natürlichkeit eine erste Brücke zur Moderne geschlagen hat. Nach ihrer Ausbildung in der Schauspielschule des Wiener Konservatoriums spielte sie zu Beginn Rollen in Gesellschafts- und Volksstücken, bis sie 1893 an das Hofburgtheater kam, das sie 1906 mit einem lebenslangen Vertrag an sich band.

Mit 32 Jahren heiratete sie ihren Burgtheaterkollegen Alexander Römpler, der aus einer früheren Beziehung fünf Kinder mit in die Ehe brachte. Ein Herzleiden zwang Römpler bald, seine Bühnentätigkeit einzustellen. Er starb 1909. Eineinhalb Jahre später heiratete sie den Schauspieler Max Paulsen, später Direktor des Burgtheaters, dem es in seiner Amtszeit 1922/23 gelang, das Theater der Akademie für Musik und darstellende Kunst, kurz Akademietheater genannt, als Kammerspielbühne dem Burgtheater anzugliedern.

Als »Mutter des Burgtheaters« ließ sie sich wie viele andere Kolleginnen und Kollegen am Burgtheater für die nationalsozialistische Propaganda missbrauchen. Anton Wildgans bediente sich des Blut- und Boden-Vokabulars des Nationalsozialismus bereits in seiner Festrede 1930 anlässlich der Verleihung des Burgtheaterrings: »So sind Sie, Hedwig Bleibtreu, schon heute eingereiht unter die Unvergesslichen dieses ehrwürdigen Hauses und darüber hinaus – durchpulst von Blut aus unserem Blut, herausgewachsen und zur Meisterschaft gereift auf unserer Erde! – eine große deutsche Frau aus Österreich.« Und Gertrud Doublier schrieb 1933 anlässlich ihres 40-jährigen Bühnenjubiläums: »In wechselnden Gestalten, in hundertfältiger Verkleidung verkörpert Hedwig Bleibtreu den reinsten Begriff des Mütterlichen, mit all der Würde und deutschen Innigkeit, die wir ihm beimessen. Sie versinnbildlicht uns das Wort Nietzsches, daß in jeder weiblichen Liebe etwas von der Mutterliebe sei.« Hedwig Bleibtreu erhielt zahlreiche Ehrungen, so wurde sie 1924 Ehrenmitglied des Burgtheaters und erhielt u.a. den Burgtheaterring 1930 und den Ehrenring der Stadt Wien 1943.

Als man sie aus Anlass der Wiedereröffnung des Burgtheaters nach dem Krieg interviewte, erzählte sie aus ihrem Bühnenleben: »Meine erste Rolle war die Maria Stuart, und in der war ich gar nicht gut. Dann habe ich die Medea gespielt, da war ich auch schlecht. Meine dritte Rolle war die Iphigenie, und da war ich überhaupt miserabel.« »Ja, wie sind Sie denn überhaupt die berühmte Bleibtreu geworden?«, fragte der Reporter. »Mein Gott«, sagte die große Schauspielerin, »die Leute gewöhnen sich halt an einen.«

 

Aus: Monika Salzer/Peter Karner: Vom Christbaum zur Ringstraße. Evangelisches Wien. 2., verbesserte Auflage, Wien 2009, S. 40 – 41.