Adele Sandrock – Die Schauspielerin und ihr Dichter

Adele Sandrock, 1895
(Bildarchiv Austria, ÖNB)

Jedem Kino- und Theaterliebhaber ist Adele Sandrock ein Begriff. Sie debütierte 1878 in Berlin, ein Durchbruch gelang ihr aber erst 1889 in Wien, im Theater an der Wien, in der Hauptrolle der Isabelle in »Die Affäre Clemenceau« von Alexandre Dumas. Zu ihrem Wiener Beginn mit Dumas gratulierte ihr sogar die »Primadonna assoluta« des deutschsprachigen Theaters, Charlotte Wolter: »Endlich ein wirkliches Talent!« Am Bühnenausgang gab es tumultartigen Empfang und Ovationen von Hunderten. Ihre Stärken spielte sie vor allem in modernen Rollen aus, von 1889 bis 1895 im Wiener Volkstheater. Sie spielte in Arthur Schnitzlers »Das Märchen« die Rolle der Fanny und in »Liebelei« die Rolle der Christine. Sie lernte Schnitzler persönlich kennen und hatte mit ihm eine wilde Beziehung, wovon der erhaltene Briefwechsel zeugt. 1894 schrieb er: »Kind – es ist wirklich besser, über Deine Kunst nichts zu sagen – da können alle Worte der Begeisterung nicht nachklettern. Warum kann man so einen Abend nicht aufbewahren wie irgendein tiefes Buch oder ein herrliches Bild? Warum werden die Leute in hundert Jahren keine Ahnung haben, wie Du gespielt hast, während sie ohne weiteres erfahren könne, wie Goethe geschrieben hat? Ich beklage meine Urenkel … Du bist einzig und groß.«

In seinem Stück »Reigen« verarbeitete Schnitzler sein Verhältnis mit der Sandrock in der Szene »Der Dichter mit der Schauspielerin«. Vorübergehend war Alexander Roda-Ro- da ihr Verlobter. Auch ihn soll sie zu einigen Bühnengestalten inspiriert haben. Von 1895 bis 1898 war sie am Hofburgtheater engagiert. In ihrer Wiener Zeit ist sie ohne ihre Starallüren unvorstellbar. Ihr turbulentes Privatleben und etliche Vertragsbrüche sorgten für stadtbekannte Skandale. 1905 bis 1910 spielte sie in Berlin, am Deutschen Theater von Max Reinhardt.

Adele Sandrock, vor 1937
(Bildarchiv Austria, ÖNB)

Als ihr Glanz als Bühnenstar verblasste, begann sie eine zweite große Karriere, zuerst als Stummfilm-, dann als Tonfilmstar. Mehr als zehn Jahre war sie die komische Alte des deutschsprachigen Films. Sie spielte die grantige Göttin Hera, die den läufigen Zeus schikaniert, und unzählige herrschsüchtige Schwieger- und Großmütter. In ihrem Spiel war sie durchaus mit Hans Moser vergleichbar. 1936 wurde sie mit 73 Jahren zur beliebtesten Filmschauspielerin Deutschlands gewählt. Sie spielte die großen Rollen fast aller etablierten Bühnenautoren – das Verzeichnis ihrer Rollen ist ehrfurchtgebietend. An die 180 Rollen verkörperte sie für Bühne und Film.

Adele Sandrock verbrachte die letzten Tage ihres Lebens, bereits vom Tod gezeichnet, in ihrer Berliner Wohnung, in der sie von ihrer Schwester Wilhelmine betreut wurde. Als das Ende nahte, bat Wilhelmine den gemeinsamen Freund Hubert von Meyerinck, so schnell wie möglich zu kommen. Während die beiden im Nebenzimmer leise tuschelnd Adeles Zustand beklagten, erwachte sie für kurze Zeit aus dem Koma und brüllte wie in ihren besten Zeiten im Befehlston: »Schnattert nicht, hier wird gestorben.«

 

Aus: Monika Salzer/Peter Karner: Vom Christbaum zur Ringstraße. Evangelisches Wien. 2., verbesserte Auflage, Wien 2009, S. 124-125.

Adele Caroline SANDROCK

Geboren am 19. August 1863 in Rotterdam/NL
Gestorben am 30. August 1937 in Berlin/D)

Schauspielerin

Adele Sandrock um 1890
(Bildarchiv Austria, ÖNB)

Adele Sandrock wurde als jüngste Tochter ehemaligen Offiziers und späteren Kaufmannes Eduard Othello Sandrock (1834–1897) und der niederländischen Schauspielerin Johanna Simonetta ten Hagen (1833–1917), – unmittelbar nach einer Vorstellung – geboren. Sie war das jüngste Kind von sieben. Ihr Vater war der Sohn des Bürgermeisters von Gotha in Thüringen und Berufsoffizier mit einem militärischen Drill, der auch vor der Familie nicht haltmachte. Schauspielunterricht erhielt sie zusammen mit ihrer Schwester Wilhelmine von der Mutter. Bevor sie in Wien berühmt wurde, spielte sie im Privattheater Urania in Berlin, am Hoftheater Meiningen, in Wiener Neustadt und in Budapest. An die Experimente des 20. Jahrhunderts erinnert ihr Auftritt als Hamlet 1899. Von den großen Rollen hat sie gespielt: Grillparzers Sappho und Medea, Ibsens Rebekka West, Lessings Emilia, Schillers Luise in »Kabale und Liebe« und Maria Stuart, Oscar Wildes Lady Bracknell – und von 1919 bis 1936 an die 80 Filmrollen. Sie starb in Berlin, ihr Leichnam wurde nach Wien überführt. Der Trauerkondukt für Adele Sandrock wurde durch Goebbels ’ Regie zu einem Propagandafeldzug für das Dritte Reich vereinnahmt.

Adele Sandrock war evang. H. B. und wurde am Evangelischen Friedhof Matzleinsdorf bestattet. Die Sandrockgasse im 21. Wiener Gemeindebezirk wurde 1961 nach ihr benannt.

 

 

Siehe auch:

  • Das Burgtheater
    In: Monika Salzer/Peter Karner: Vom Christbaum zur Ringstraße. Evangelisches Wien. 2., verbesserte Auflage, Wien 2009, S. 165.

 

Weblinks (Auswahl):

Käthe DORSCH

Geboren am 29. Dezember 1890 in Neumarkt in der Oberpfalz.
Gestorben am 25. Dezember 1957 in Wien.

Schauspielerin

(Aus Wikimedia Commons)

Eine Ohrfeige, die sie im April 1956 dem Kritiker Hans Weigel gab, machte sie weit über das Theater hinaus bekannt. Weigel klagte sie wegen tätlicher Ehrenbeleidigung und beantragte eine psychiatrische Untersuchung der Burgschauspielerin. Beim Prozess, in dem sie argumentierte, Weigels Kritiken hätten sie beleidigt, unterstützten sie prominente Kollegen wie Raoul Aslan, Albin Skoda, Josef Meinrad, Alma Seidler und Hilde Krahl. Aslan verteidigte Dorsch in der Gerichtsverhandlung mit den Worten: »Freiheit ist Unterwerfung unter das Gesetz. Frechheit ist dagegen eine Überschreitung der Freiheit. Und die hat Weigel begangen. Wien hat vier Wahrzeichen: den Stephansdom, das  Burgtheater, die Staatsoper und die Universität. Wer eines von ihnen verhöhnt, muss entfernt werden!« Er forderte für Weigel die Todesstrafe! Direktor Ernst Haeussermann errang dann einen Sieg über Weigel, der gemeinsam mit Friedrich Torberg für den »Brecht-Boykott« in Österreich verantwortlich war. Christian Broda, der spätere Justizminister, verteidigte Weigel und bezichtigte die anwesenden Schauspieler, »kommunistisch unterwandert« zu sein. Es war eine der heftigsten öffentlichen Debatten im Künstlermilieu nach dem Zweiten Weltkrieg, die politische »Watschen« auf beiden Seiten austeilte. Dorsch musste 500 Schilling Strafe zahlen.

Dabei war die Tochter eines Nürnberger Lebküchners alles andere als kommunistisch unterwandert. Käthe Dorsch begann ihre eigentliche Laufbahn 1908 als Operettensoubrette in Mainz in »Wiener Blut« und ging 1911 nach Berlin an das Neue Operettentheater. Weitere Engagements am Residenztheater, am Lessingtheater, am Deutschen Theater und am Schauspielhaus am Gendarmenmarkt. 1927 ging sie nach Wien und wirkte dort u.a. am Volkstheater. Von 1939 bis zu ihrem Tod war sie Mitglied des Burgtheaters. Ab 1951 spielte sie auch wieder an Berliner Bühnen. 1913 hatte sie ihre erste kleine Nebenrolle in dem Stummfilm »Wenn die Taxe springt«, bis 1921 wirkte sie in mehreren Filmen mit. Sie verkörperte einige bedeutende Frauenfiguren wie Maria Theresia in »Trenck, der Pandur« und Friederike Caroline Neuber in »Komödianten«.

Sie war evang. A.B. Ihr Leichnam wurde in einem Familiengrab auf dem Friedhof von Pieskow am Scharmützelsee bestattet. Ein Gedenkstein findet sich auf dem Evangelischen Kirchhof der St.- Annen-Gemeinde, Friedhof Dahlem.

Die Käthe-Dorsch-Gasse im 14. Wiener Gemeindebezirk wurde 1962 nach ihr benannt.

 

Siehe auch:

 

Weblinks (Auswahl):