Moritz Gottlieb SAPHIR

(eigentlich Moses Saphir)

Geboren am 8. Februar 1795 in Lauschbrünn bei Stuhlweißenburg (Lovasberény Kreis Székesfehérvár/H).
Gestorben am 5. September 1858 in Baden bei Wien.

Schriftsteller, Journalist und Satiriker

Foto von Carl Ferdinand Stelzner, 1843.
Aus Wikimedia Commons

Moritz Gottlieb Saphir entstammte einer orthodoxen jüdischen Familie. Sein Vater war einer der Ersten, der sich gemäß der Gesetzgebung Josephs II. einen Familiennamen ausgesucht hat. Er selbst sollte Rabbiner werden und besuchte daher zunächst die Talmudschule in Pressburg, dann die in Prag, doch er interessierte sich mehr für die europäische Literatur. Nach kurzer wenig erfolgreicher Tätigkeit im väterlichen Geschäft durfte er in Pest Latein und Griechisch studieren und begann seine schriftstellerische Karriere: er veröffentlichte Aufsätze sowie Gedichte, 1821 sein erstes Buch, und wandte sich dann dem Journalismus zu.

1822 kam Saphir auf Einladung von Adolf Bäuerle nach Wien und war bis 1825 maßgeblich bei der Wiener Theaterzeitung beschäftigt, setzte seine Tätigkeit als Journalist, insbesondere als Theaterrezensent, bis 1826 in Berlin fort, war danach Redakteur, Zeitschriften-Herausgeber sowie Hoftheaterintendanzrat, aber auch als Regierungsspitzel, in München tätig und hielt sich 1831 kurz in Paris auf. 1832 konvertierte Saphir zum Protestantismus und kehrte 1834 nach Wien zurück. Hier widmete er sich wieder der Arbeit an der „Wiener Theaterzeitung“ und gründete 1837 seine eigene Zeitung, „Der Humorist“, die er bis 1858 herausgab und redigierte. Daneben veranstaltete er sehr erfolgreich „Wohltätigkeitsakademien“ sowie „Humoristischen Vorlesungen“ zu caritativen Zwecken und betätigte sich als Vortragsreisender.

Als Kritiker ist Saphir vor allem mit seiner poetologisch konservativ ausgerichteten Theaterkritik umstritten. An allen seinen Wirkungsorten machte er sich binnen kurzem mit gnadenlosen Theaterkritiken und ehrenrührigem Verhalten unbeliebt, war in publizistischen Auseinandersetzungen mit Vertretern des etablierten Kulturbetriebs verwickelt und hatte ständig Schwierigkeiten mit der Zensurbehörde. Als humoristischer und satirischer Schriftsteller stand er in der Nachfolge von Jean Paul und Börne. Seine Theaterstücke waren von geringem Erfolg, seine Gedichte hingegen sehr populär.

Nach der Revolution 1848 verlor Saphir an publizistischem Einfluss und zog sich aus der literarischen Öffentlichkeit zurück.

Er blieb unverheiratet und wurde am Evangelischen Friedhof Matzleinsdorf bestattet.

 

 

Weblinks (Auswahl):

Jörg Mauthe – Die Vielgeliebte

In seinem letzten Buch »Demnächst oder der Stein der Sisyphos« wurde Mauthe von seinen Söhnen gefragt: »Warum hast du so viel Wert daraufgelegt, Protestant zu sein? Und dass auch wir welche sind?« Mauthe antwortete mit einer »Rede an meine Söhne«:

»Weil deine Väter und Vorväter samt ihren geduldig duldenden aber hartköpfigen Frauen – Frauen, wie auch deine Mutter eine ist, mein Sohn – ihres Glaubens wegen viel gelitten haben. Einige von ihnen sind aus Frankreich verjagt worden über den Rhein und von dort weiter ins Landesinnere, ihre Urenkel sind dann die Donau hinunter gewandert bis Wien und von dort hinauf nach Galizien gezogen, um nach fünf oder sechs Generationen auch von dort wieder vertrieben zu werden: kleine Leute, Bauern im besten Fall, meistens aber Handwerker, auch Tagelöhner darunter oder Strohschneider. Es wäre ihnen besser gegangen, wenn sie sich angepasst, auf Priester statt auf Pastoren gehört, wenn sie sich eine andere Sprache zugelegt hätten. Das haben sie nicht getan, und wozu hätten sie all das auf sich genommen, würdet ihr, meine Söhne, es jetzt abstreifen, mehr oder weniger leichthin, weil so was heute ja keine große Rolle mehr spielt und die Frage, ob das Abendmahl in dieser oder jener Form verabreicht werden sollte, ja wirklich ein fast schon skurriler Anachronismus ist? Ihr würdet das Leid und die Hoffnung und die Erduldungen unserer Vorfahren im Nachhinein sinnlos machen und ein Muster aus dem Teppich der Geschichte tilgen. Sodann: das hat uns eben geprägt, mich jedenfalls und über mich euch wahrscheinlich auch, ohne dass wir es uns gewünscht hätten.«

Mauthe vereinte in seiner Seele und seinem Werk lutherische Innigkeit, lutherische Sprachbesessenheit bis hin zur kreativen Frechheit des Meisters mit calvinischem Widerstandsgeist und zwinglianischer Nüchternheit und Pionierfreude. Dieses kreative Potenzial können Worte wie »engagierter Journalist und Politiker« nur mit Müh und Not einfangen. Wer mit ihm lebte oder arbeitete, hatte das biblische Erlebnis: Das Alte ist vergangen, siehe es ist alles neu geworden.

Gerd Bacher holte Mauthe 1969 als Chefdramaturg und Programmplaner in den ORF. Mauthe erfand die erste Möglichkeit einer Publikumsbeteiligung, die Sendung »In eigener Sache«. Er war ein Kritiker, der zeigte, wie es gemacht wird. So schuf er die »Familie Merian«, eine Fernsehserie, die u.a. die Schwierigkeiten eines behinderten Mädchens in einer nicht behindertengerechten Wohnung vorführte. Bereits beim Nachkriegssender Rot-Weiß-Rot von 1950 bis1955 und dann beim ORF von 1967 bis 1974 teilte er in seiner satirisch-kritischen Sendung »Der Watschenmann« ordentlich aus. Mauthes erster und wohl bekanntester Roman »Die große Hitze oder die Errettung Österreichs durch den Legationsrat Dr. Tuzzi« nimmt die Reaktion des offiziellen Österreichs auf den Klimawandel prophetisch vorweg – und ein reizvoller Schlüsselroman ist er auch noch.

Eine seiner gelungensten Großaktionen war »Wir wollen Niederösterreich schöner machen«. Und so trägt dieses Bundesland bis heute die Spuren von Mauthes gutem Geschmack und seiner kunstgeschichtlich fundierten Ästhetik. Aufsehen erregte Mauthe zusammen mit Günther Nenning 1984 mit ihrer »Erklärung der Tiere« und mit dem »Schönheitsmanifest«. Der Schlüsselsatz: »Das schöne Land Österreich wird immer hässlicher!« Und sie forderten: »Die tägliche Vernichtung von Schönheit muss aufhören. Wir verlangen, dass die Schönheit in ihre uralten Rechte wiedereingesetzt wird.« Zu den Festwochen 1985 füllte er die Wiener Innenstadt mit Puppen an. Er »verpuppte« Wienerinnen und Wiener und konfrontierte sie in einer Art mit sich selber, dass sie mitspielen mussten. »Die Ironie der Inszenierung: Hinter Schaufenstern schöne Puppen in schönen Kleidern, auf und in der Straße hässliche Puppen, und die realen Menschen dazwischen.« (Robert Kauer)

Als Spätfolge des plötzlichen Einsturzes der Wiener Reichsbrücke am 1. August 1976 holte ihn der »bunte ÖVP-Vogel« Erhard Busek als Stadtrat in die Wiener Kommunalpolitik. Für Mauthe führte das zu einer Explosion an Fantasie und Kreativität. Die große Konstante in Mauthes Leben war seine Liebe zu Wien. Er gründete das »Metropol« und das Wiener Journal und war maßgeblich verantwortlich für die Renaissance der Wiener Beiselkultur. Sein allzu frühes Sterben bewältigte er mit dem Werk »Demnächst oder der Stein der Sisyphos«: stark vor lauter Hoffnung, er hatte längst den Tod in seine Dienste genommen.

Während des Konflikts in der Hainburger Au stand Mauthe, ein »Vordenker« der Grünen, auf der Seite der Aubesetzer. Bei der Pressekonferenz zur Unterstützung des Konrad-Lorenz-Volksbegehrens gegen den Bau des Kraftwerks erschien er als Schwarzstorch verkleidet.

Mauthe wurde mit dem Theodor-Körner-Preis ausgezeichnet, 2004 wurde er von den Kurier-Lesern in die Liste der 50 wichtigsten Österreicher der letzten 50Jahre gewählt.

Sein Begräbnis in der Lutherischen Stadtkirche war eine wahrhaft »Scheue Leich« – im Hintergrund begleitet durch das Satyrspiel eines für seine systemerhaltenden Einfälle bekannten Lutherischen Oberkirchenrates. Mauthe hat die Liturgie selbst komponiert und seinen langjährigen Freund und Gesinnungsgenossen Robert Kauer mit der Durchführung eines evangelisch-freimaurerischen Gottesdienstes bzw. Rituals beauftragt. Seine Urne wurde im achteckigen Turm seiner Burgruine Mollenburg im Waldviertel beigesetzt.

 

Aus: Monika Salzer/Peter Karner: Vom Christbaum zur Ringstraße. Evangelisches Wien. 2., verbesserte Auflage, Wien 2009, S. 109-111.

Jörg MAUTHE

Geboren am 11. Mai 1924 in Wien.
Gestorben am 29. Februar 1986 in Wien.

Journalist, Schriftsteller, Kulturpolitiker

Jörg Mauthe wurde als Sohn des Journalisten Hans Mauthe geboren, besuchte in die Evangelische Volksschule in Währing, maturierte 1942 im Gymnasium Klostergasse, studierte. Kunstgeschichte, Germanistik und Archäologie an der Universität Wien und promovierte 1948 zum Dr. phil. über »Venezianische Hausformen des Mittelalters«. Von 1947 bis 1950 arbeitete er als Kunstkritiker, danach beim Sender »Rot-Weiß-Rot« als Leiter der »Abteilung Wort«. 1967 war er beim ORF-Fernsehen, 1978 bis 1986 war er Wiener Stadtrat, und bis 1983 Mitglied des Wiener Gemeinderats.
Jörg Mauthe war evangelisch A.B.

 

  • Jörg Mauthe – Die Vielgeliebte
    In: Monika Salzer/Peter Karner: Vom Christbaum zur Ringstraße. Evangelisches Wien. 2., verbesserte Auflage, Wien 2009, S. 109-111.

 

Weblinks (Auswahl):