Carl Brunner von Wattenwyl – Das Telefon und die Heuschrecke

Brunner von Wattenwyl gehört zur großen Zahl der evangelischen Schweizer, die aus eigenem Interesse oder weil sie berufen oder gerufen worden waren, nach Wien kamen. Viele von ihnen nahmen Wien als ihre zweite Heimat an und vollbrachten außerordentliche Leistungen auf den Gebieten der Wissenschaft, Kunst und Kultur. Leistungen, die für die Entwicklung des Landes, ja die Weltgeltung Österreichs konstitutiv waren.

1851 beauftragte der Schweizer Bundesrat den jungen Professor Brunner mit der Einführung der Telegrafie in der Schweiz. Der große Erfolg des Unternehmens kam durch Brunners universale Begabung zustande. Er verstand es, wissenschaftlich Erforschtes technisch umzusetzen, zu ordnen und zu administrieren. Deshalb wurde er auch zum Direktor der Schweizer Telegraphenanstalt ernannt. 1852 unternahm er eine Informationsreise nach Deutschland und durch die Schweiz, versehen mit dem bundesrätlichen Auftrag, in Wien die Verhandlungen über die gemeinsame Regulierung des Rheins einzuleiten. In Wien lernte er den Minister Georg von Toggenburg kennen, einen Graubündner, was bald zu dem Auftrag führte, das österreichische Telegrafenwesen zu organisieren. Zuerst funktionierte das Telegrafenwesen selbständig, es wurde aber dann durch Minister Bruck als Abteilung der Postsektion dem Handelsministerium unterstellt. Brunner erhielt als Referent für Telegrafenwesen die Stelle eines Ministerialrats.

Ebenfalls erfolgreich war Brunner für das türkische Telegrafenwesen – da hatte ihn Minister Bruck nach Konstantinopel entsandt. Der Europaaspekt war damals schon relevant. Deshalb arbeitete er an der Schaffung einer Art Europäischen Telegrafenunion mit regelmäßigen europäischen Konferenzen, an denen er teilnahm.

Auch in der Heuschreckenforschung war Brunner ein Mann von europäischem Format. Hatte er als Aktiver auf seinen Reisen vor allem an der Vergrößerung seiner privaten Sammlung gearbeitet, so beschäftigte er sich als Langzeitpensionist – er wurde 91 Jahre alt – mit der Sichtung seiner Objekte und der Forschung. Seine große Sammlung hatte er längst dem Naturhistorischen Museum vermacht, wo man ihm auch ein geeignetes Arbeitszimmer zur Verfügung gestellt hat. Für sein fruchtbares Wirken erhielt Brunner zahlreiche Auszeichnungen.

Anlässlich der kirchlichen Feier seines 90. Geburtstags haben ihm beide Evangelischen Kirchen für sein Lebenswerk gedankt, denn dem Wiener reformierten Superintendenten Gottfried Franz war es gelungen, Brunner bald nach seiner Übersiedlung nach Wien für die Gemeindearbeit in Wien zu interessieren. Hier kamen die richtigen Persönlichkeiten zusammen: Brunner, der Schweizer Demokrat, und Franz, der »Revolutionär von 1848« und »Demokratisierer« der Evangelischen Kirchen. Brunner war der Kurator mit der längsten Dienstzeit in der Dorotheergasse 16: 30 Jahre – 1884 bis 1914. Seine Eigenwilligkeit bewies er etwa dadurch, dass er seine Demission anbot, als die Pfarrgemeinde den Pflicht-Kirchenbeitrag einführen wollte. Ebenso fühlte er sich für den Sozialbereich verantwortlich – er war einer der Mitbegründer des »Schweizer Unterstützungsvereins«. Er stand auch der Evangelischen Kirche H.B. als Amtsträger zu Verfügung: Lange Jahre hindurch als Superintendentialkurator, Mitglied der Synode, des Synodalausschusses H.B. und als Vorstandsmitglied des Österreichischen Hauptvereins der Gustav-Adolf-Stiftung.

 

Aus: Monika Salzer/Peter Karner: Vom Christbaum zur Ringstraße. Evangelisches Wien. 2., verbesserte Auflage, Wien 2009, S. 150-151.

Carl BRUNNER von WATTENWYL

(eigentl. Karl Friedrich Brunner von Wattenwyl)

Geboren am 13. Juni 1823 in Bern, Schweiz.
Gestorben am 24. August 1914 in Kirchdorf-Neukematen, Oberösterreich

Naturforscher, Physiker, Geologe und Entomologe

Carl Brunner entstammte einem Berner Ratsgeschlecht, sein Vater Karl Brunner war Professor der Chemie in Bern. Er selbst studierte Physik sowie Geologie in Genf und Berlin (Promotion 1846), habilitierte sich in Bern für Physik (1847), wurde im selben Jahr Dozent und war von 1850 bis1855 ao. Professor der Physik an die Universität Bern.

1850 heiratet er Emilie Elisa von Wattenwyl. Vermutlich von da an trug er den Doppelnamen Brunner-Wattenwyl, später Brunner von Wattenwyl. Dem Ehepaar wurden ein Sohn und drei Töchter geboren.

1852 führte Carl Brunner-Wattenwyl die elektrische Telegraphie in der Schweiz ein und war von 1855 bis 1857 Direktor der Eidgenössischen Telegraphenverwaltung. 1856 wurde er zur Reorganisierung des österreichischen Telegraphenwesens nach Wien berufen und 1857 mit der  Leitung der österreichischen Staatstelegraphen-Anstalt betraut. Auch in Griechenland und in der Türkei richtete er den Telegraphendienst ein und auf seine Anregung fand 1865 in Paris die erste internationale Telegrafenkonferenz statt.

Nachdem 1872 die selbständige Direktion des österreichischen Telegraphenwesens aufgelöst und das Telegraphenwesen mit der Postsektion verbunden worden war, bekleidet er die Stelle eines Ministerialrates im k.k. Handelsministerium.

Gemälde von Hans Temple, 1906.
Aus: Wikimedia Commons

Neben seiner amtlichen Tätigkeit bemühte sich Carl Brunner-Wattenwyl, durch Ausstellungen, Vorträge und Bücher die technischen Anwendungen der Elektrizität allgemein bekannt zu machen. Nach seiner Pensionierung beschäftigt er sich ausschließlich mit der Naturgeschichte der Insekten, und da vorwiegend mit Springschrecken und Gespenstschrecken. Seine Orthopteren-Sammlung wurde bald eine der bedeutendste der Welt und ging nach seinem Tod an das Wiener Naturhistorischen Museum.

Seine amtliche und wissenschaftliche Tätigkeit ist mehrfach gewürdigt worden. 1859 wurde er mit dem österreichischen Orden der eisernen Krone dritter Classe ausgezeichnet; ausländische Ordensverleihungen folgten. 1880 ist er in den Ritterstand erhoben worden. 1884 wurde er zum Mitglied der naturwissenschaftlich-medizinischen Gelehrtengesellschaft Leopoldina gewählt, des Weiteren war er Präsidenten des Vereins zur Verbreitung naturwissenschaftlicher Kenntnisse und der Schweizerischen Naturforschenden Gesellschaft sowie Vizepräsident des wissenschaftlichen Clubs und der k.k. zoologisch-botanischen Gesellschaft in Wien.

Carl Brunner-Wattenwyl engagierte sich aber auch in der Evangelische Kirche H.B. in Österreich und war unter anderem 30 Jahre lang Kurator der Evangelischen Pfarrgemeinde H.B. in Wien.

 

 

Weblinks (Auswahl):

Eduard Suess – Das Wiener Hochquellwasser

In den alten Tramways gab es noch die Werbung: »Worauf freut sich der Wiener, wenn er vom Urlaub kommt? Auf Hochquellwasser und Ankerbrot.« Ein Spruch, der vielen in Erinnerung geblieben ist. Tatsächlich mochten Reisende in den Nachkriegsjahren diese Werbung, waren sie doch in südliche Länder gereist, die weder Schwarzbrot noch Hochquellwasser hatten: Wien hatte sie wieder! Auf die gute Wasserqualität der Voralpenberge Schneeberg und Rax ist Wien bis heute stolz.

Radierung von William Unger.
Aus Bildarchiv Austria, ÖNB

Zu verdanken ist das gute Trinkwasser Eduard Suess. Als Politiker im Wiener Gemeinderat und als Abgeordneter der Liberalen im Niederösterreichischen Landtag beschäftigte er sich mit der Donauregulierung bei Wien und dem Bau der Ersten Wiener Hochquellenwasserleitung – zwei visionäre Projekte. Noch während der Weltausstellung, deren Erfolg durch den Ausbruch einer großen Choleraepidemie gefährdet war, konnte am 23. Oktober 1873 die I. Wiener Hochquellenwasserleitung gemeinsam mit dem Hochstrahlbrunnen am Schwarzenbergplatz feierlich von Kaiser Franz Josef I. eröffnet werden. Am Beckenrand des Brunnens befinden sich 365 kleine Springbrunnen, die die Tage des Jahres symbolisieren. Die sechs Springbrunnen zwischen Beckenrand und innerer Insel und diese selbst entsprechen den sieben Wochentagen. Zwölf hohe Strahlen versinnbildlichen die Monate, 24 niedrige die Stunden des Tages und die 30 Strahlen in der mittleren Insel die Tage des Monats.

Eduard Suess war vor allem Geologe und Experte für die Tektonik der Alpen, Thesen zur Entstehung der Alpen begann er 1857 zu entwickeln. Mit der Einführung des heute noch gebräuchlichen Konzepts der eustatischen Meeresspiegelschwankungen lieferte er eine plausible Erklärung, warum sich unterschiedliche geologische Einheiten wie Jura, Kreide u. a. ausbildeten. Der Kernsatz seines geologischen Weltbildes klang apokalyptisch: »Der Zusammenbruch des Erdballs ist es, dem wir beiwohnen.« Suess kam zu dem Schluss, dass Afrika und Europa einstmals eng verbunden waren. Er begriff als Erster, dass der Ostafrikanische Graben auf Grund von lateralen Ausdehnungsbewegungen entstanden sein musste, die zur Ausdünnung der Erdkruste und zur Bildung eines Grabenbruchs führten. Sein Buch »Der Boden der Stadt Wien« 1862 begründete seinen Ruf, 1875 veröffentlichte er »Die Entstehung der Alpen«, 1883 »Das Antlitz der Erde«, das viele Jahre als Lehrbuch der Geologie galt. Er führte den Begriff der Biosphäre ein, der später von Teilhard de Chardin und dem Geochemiker Vladimir Ivanovitsch Vernadskij weiter ausgebaut wurde. Als Landesschulinspektor half er mit, das Reichsvolksschulgesetz umzusetzen, das bis 1962 in Kraft blieb. Zahlreiche seiner Thesen gelten bis heute, einige sind wissenschaftlich überholt. Das Trinkwasser Wiens wird jedenfalls für immer mit seinem Pioniergeist verbunden bleiben. Der Name Suess ist in der Lutherischen Kirche geläufig, weil sein Großneffe Emil Suess eine Stiftung gründete, die bis heute evangelisch-diakonische Organisationen unterstützt.

Carl Adolf Eduard Suess wurde als Sohn eines Industriellen geboren und kam 1846 mit seiner Familie nach Wien, wo er am Polytechnikum studierte. Seine politische Betätigung im Rahmen der Revolution 1848 brachte ihn vor ein Kriegsgericht, vor den Folgen bewahrte ihn der Direktor der  „kaiserlich-königlichen geologischen Reichsanstalt“ in Wien (nunmehr Geologische Bundesanstalt), Wilhelm Karl Haidinger. 1855 heiratete er Hermine Anna Strauß und hatte mit ihr sieben Kinder. 1852 wurde er Assistent am Hofmineralienkabinett, 1857 a.o. Professor für Paläontologie, 1862 übernahm er die Lehrkanzel für Geologie. 1863 wurde Suess in den Gemeinderat gewählt (1863-1873, 1882-1886). Zahlreiche politische und wissenschaftliche Betätigungen folgten. 1873 wurde er Ehrenbürger der Stadt Wien und wirkliches Mitglied der Akademie der Wissenschaften. Er war außerdem Mitglied fast aller europäischen Akademien.

Aus: Monika Salzer/Peter Karner: Vom Christbaum zur Ringstraße. Evangelisches Wien. 2., verbesserte Auflage, Wien 2009, S. 144-145.

 

Die Eduard-Suess-Gasse im 15. Wiener Gemeindebezirk wurde 1947 nach Eduard Suess benannt, die Tethysgasse im 2. Wiener Gemeindebezirk (seit 2014) erinnert an einem im Erdmittelalter existierenden und von Suess Tethys genannten Ozean. In der Grünanlage am Schwarzenbergplatz befindet sich das von Franz Seifert stammende Suess-Denkmal.
Auch in Linz, in St. Pölten, in Marz und in Hirschwang an der Rax sind Straßen nach ihm benannt; des weiteren der Suessgletscher im ostantarktischen Viktorialand, der Mount Suess im Transantarktischen Gebirge, der Marskrater Suess sowie der Mondkrater Suess, und die Österreichische Geologische Gesellschaft vergibt seit mehr als 100 Jahren die Eduard-Sueß-Gedenkmünze.
Sein Geburtshaus in 4 Duncan Terrace, London N1 wurde von der Geological Society of London mit einer Gedenktafel versehen.