Émile JAQUES-DALCROZE

Geboren am 6.7.1865 in Wien

Émile JAQUES-DALCROZE Quelle

Gestorben am 1.7.1950 in Genf, Schweiz

Komponist und Ballettpädagoge.

Jaques-Dalcrozes Bedeutung liegt auf musikpädagogischem Gebiet.

Ausgehend von der Erkenntnis, dass „das am stärksten fühlbare und direkt mit dem Leben verbindende Element in der Musik der Rhythmus, die Bewegung“ sei, entwickelte er sein System der „rhythmischen Gymnastik“. Er gilt als der Begründer der rhythmisch-musikalischen Erziehung und war zeitlebens auf der Suche nach Gesetzmäßigkeiten zum künstlerischen Ausdruck.

 

Weblinks (Auswahl):

 

Gottfried von Einem – Der österreichische Componist

»Ich muss ein großer Mann werden, weil Gott mir so schöne Dinge einflüstert!«, schrieb er 1936 mit 18 Jahren in sein Tagebuch. Nach der Aufführung von Bachs »Matthäus-Passion« in Hamburg dachte der achtjährige Bub, dass er »auch so etwas schreiben könne«. Von der Musik der »Matthäus-Passion« war er »wie betrunken«, sein erster Opernbesuch war »Madame Butterfly« in Berlin mit seiner Mutter. In seinen Lebenserinnerungen gestand er: »Ich war hoffnungslos infiziert.« Zum neunten Geburtstag bekam er von seiner Mutter als Reaktion auf sein »Quengeln« die Partitur der Oper geschenkt. Auf seine eigene Frage, warum ihn die Musik so gepackt hatte, antwortete er mit sehr offenen Worten: »Am Anfang war die Verzweiflung, die desperate Einsamkeit, die Verlassenheit von allen jenen, von denen ich glaubte, Wärme und Liebe erfahren zu dürfen.« Dass er Komponist innerhalb der Tonalität blieb, erklärte er mit einer Sehnsucht nach Kontinuität, die er als »Ersatz für den Mangel an Bezugspersonen in Familie und Schule« brauchte. Gottfried von Einem wurde im 20.Jahrhundert einer der bedeutendsten Komponisten im Nachkriegs-Österreich. Seine Opern fanden weltweit Anerkennung und Bekanntheit. Klarer Aufbau sowie ausdrucksstarke Instrumentation und Rhythmik waren für ihn typisch. Er war nicht nur Musiker, Componist, wie er sich zu schreiben pflegte, sondern auch kulturpolitisch einflussreicher Kommunikator in vielen Diskussionen und maßgeblich beteiligt an einigen kulturellen Entwicklungen in Österreich und Wien. Sein kämpferischer Geist war oft Motor, manchmal ein stürmischer, aber auch ihm selbst im Wege; so meinte er einmal zu einem Streitpartner: »Ich habe überhaupt keine Angst, vor niemandem, außer vor mir!«

Er entstammte einer adeligen Familie mit militärischer Tradition. Seine Mutter, Baronin Gerta Louise von Einem geb. Scheurnschloß, die er besonders innig liebte, beschrieb er als »eine ungemein tatkräftige, engagierte und dabei mit großem Charme operierende Frau«. Sie war seit ihrer Kindheit mit Olga und Paula Göring, den beiden Schwestern Hermann Görings, befreundet. Zahllose Verhöre bei der Gestapo hatten für Einem undurchsichtige Gründe. Einer mag wohl gewesen sein, dass seine Mutter bei einem Besuch in London Winston Churchill traf und deutschen und österreichischen Juden bei der Auswanderung in die Schweiz half. Sie war sehr aktiv, ja »ruhelos«. Seine Erzieherin in einem abgelegenen Schloss in Malente-Gremsmühlen in Schleswig-Holstein war Großmutter »Exzellenz« Hedwig Rieß von Scheurnschloß, bei der er seit 1921 mit seinen Brüdern und der Dienerschaft wohnte: »Meine Kindheit war ziemlich schlimm. (…) Drei Knaben in einem Haus von 22 Zimmern, mit Hauslehrer, Hausdame und allem was sonst noch gut und teuer ist, und die Eltern nie da.«

Mit sechs erhielt er ersten Klavierunterricht beim damaligen Dorfschullehrer Kahl. Als er von 1928 bis 1937 die Gymnasien in Plön und Ratzeburg besuchte, erhielt er professionellen Unterricht durch Käthe Schlotfeldt (später Kieckbusch), eine Absolventin des Konservatoriums zu Kiel. 1937 ging er nach Berlin. Er wurde Korrepetitor an der Berliner Oper und nahm Kompositionsunterricht bei Boris Blacher, der sein großer Lehrer werden sollte, vor allem auch in den Studien des Kontrapunktes nach Fux. Bei ihm lernte er auch seine erste Frau, Lianne von Bismarck, kennen. Aus der Berliner Zeit stammt sein Opus 1, »Prinzessin Turandot«, das auf Anregung seines Freundes Werner Egk entstand. Mit der Oper »Dantons Tod« nach Georg Büchner, die bei den Salzburger Festspielen 1947 uraufgeführt wurde, gelang ihm der internationale Durchbruch.

Ab 1946 lebte Einem in Österreich, 1948-1951 war er Direktionsmitglied und nach 1955 Vorsitzender des Kunstrats der Salzburger Festspiele. Trotz großer Erfolge mit »Dantons Tod« wurden »reaktionäre Stimmen« laut, die sich beschwerten, dass ein »deutscher Ausländer« in Salzburg zur Aufführung gelangte. Der »Fall Brecht« ließ ihn dann endgültig aus Salzburg flüchten. Einem verhalf Bertold Brecht, der staatenlos geworden war, aus Solidarität zu einer österreichischen Staatsbürgerschaft. Im Gegenzug wollte er Brecht künstlerisch an Salzburg binden, wovon er sich eine große Bereicherung für Salzburg erhoffte. Das Ergebnis war, dass Einem als Kommunist beschimpft und aus der Direktion der Festspiele ausgeschlossen wurde. Für ihn war das eine bittere Enttäuschung von der Politik, die ihn von heute auf morgen »auf die Straße« gesetzt hatte.

Ab 1953 lebte er mit seinem Sohn Caspar und seiner Frau Lianne in Wien. Die »Einstandsoper« war »Der Zerrissene« nach Johann Nestroy. Auftraggeberin: die Hamburger Staatsoper. Die Uraufführung fand in Hamburg statt, nicht ein gerade idealer Boden für die »wienerische Oper«, die Einem als »Tribut an diese Stadt« bezeichnete. Von 1963 bis 1972 war er Professor für Komposition an der Wiener Musikhochschule, von 1965-1970 Präsident der Verwertungsgesellschaft AKM.

Sein Wien-Bekenntnis war überzeugend und gefühlvoll: »Ich lebe wirklich gerne in Österreich. Ich bin allerdings kein Paradeösterreicher aus dem Pinzgau oder Pongau, sondern einer, der Österreich schätzt, auch wegen seiner großen Geschichte. Und Wien deshalb, weil er von Wien unabhängig ist. Ich brauche von Wien nichts. Dass Wien so freundlich war und mich zum Ehrenbürger ernannte, war eine schöne Sache … Deutscher bin ich nicht. Das ist keine Verachtung. Ich verachte weder Deutschland noch ein anderes Land, aber ich weiß, wo ich hingehöre. Ich gehöre, auch dank Madame, meiner »Ratte« (Lotte Ingrisch) nach Österreich!… ln der mehr als 175-jährigen Geschichte des Musikvereins zähle ich zu jenen Componisten, die dort die meisten Uraufführungen erlebt haben … Und das Gefühl, für den Musikverein zu schreiben, gibt mir ein Gefühl des »Zuhauses«.«

Der Schwerpunkt seines Schaffens lag im Bereich der Musikdramatik und der Oper, sein Werkverzeichnis umfasst aber auch symphonische Werke, Konzerte, Kammermusik und über 100 Lieder. Bedeutende Literatur diente Einem als Inspirationsquelle: Zu seinen großen Erfolgen zählten die Opern »Der Prozeß« (nach Franz Kafka, 1953 in Salzburg uraufgeführt) und »Der Besuch der alten Dame« (nach Friedrich Dürrenmatt, 1971 in Wien uraufgeführt). Er vertonte auch Schillers »Kabale und Liebe«, Brechts »Studentenlied« (eine Chor-Orchester-Oper) und »Die Nachgeborenen« von Bert Brecht. Texte von Hölderlin, Sophokles, Psalmen der Bibel, Borchert, Lernet-Holenia, Hesse, Busta, Artmann und Mayröcker vertonte er ebenfalls. Viele seiner späteren Werke basierten auf Texten seiner zweiten Frau, der Schriftstellerin Lotte Ingrisch, darunter auch die Mysterienoper »Jesu Hochzeit«, deren Uraufführung 1980 in Wien einen Theaterskandal auslöste.

Einem befasste sich sehr intensiv mit dem Tod und sagte von sich: »Ich habe immer in der unmittelbaren Nachbarschaft des Todes gelebt.« Tod, Leben und Liebe – meinte er – seien die Geheimnisse des Seins. »Es ist so schön«, schrieb er Lotte Ingrisch, »weil ich zwischen Tod und Leben fühle. Ich weiß mich jetzt in beiden von unendlicher Liebe strahlend umfangen, die ich aus Dir bekomme, sie aber selbst erzeugend. Könnte ich jetzt sterben, ich lebte!«

Er war in Norddeutschland als Protestant aufgewachsen und war tief geprägt durch den Pfarrer und späteren Landesbischof Wilhelm Kieckbusch. In seiner Biografie schreibt er, dass er wegen einer Äußerung des damaligen Bischofs der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Österreich (evang. A.B.), Oskar Sakrausky (1914— 2006), ausgetreten sei. »Ich kann nicht behaupten, dass ich religiös wäre, sehr wohl, dass ich glaube. Ich fühle, dass eine gewisse Weitsicht z. B. in der Bergpredigt enthalten ist. Dies ist für mich ein wahrhaft großes Dokument und wird Bestand haben, solange die Welt besteht.« Gottfried von Einem wurde in Yad Vashem posthum als Gerechter unter den Völkern ausgezeichnet. Der ehemalige Kammersaal im Musikverein wurde nach umfassender Renovierung als »Gottfried-von-Einem-Saal« neu eröffnet. Die Gesellschaft der Musikfreunde ehrte ihn deshalb, weil er »ähnlich wie Brahms mit dem Musikverein eng verbunden war«. Gottfried von Einem brachte im Musikverein zahlreiche Werke zur Uraufführung und bestimmte – auch das eine Analogie zu Johannes Brahms – seinen umfangreichen Nachlass an Noten, Büchern und Briefen für das Archiv der Gesellschaft der Musikfreunde.

Gottfried von Einem wurde als Sohn des österreichischen Militärattachés und späteren Generals William von Einem geboren. Seine Mutter Gerta Louise geb. Baronin Rieß von Scheuernschloß entstammle einer Offiziersfamilie aus Kassel. Wer sein eigentlicher Vater war, erfuhr er bei einem Verhör durch die Gestapo: Graf Laszlo Hunyady. Er wuchs in Malente-Gremsmühlen/Schleswig-Holstein auf. Einem heiratete Lianne von Bismarck, mit der er den Sohn Caspar Einem hatte, der später als SPÖ-Politiker Innenminister wurde. Seine Frau. starb 1961 nach 16-jähriger Ehe. In zweiter Ehe war er mit der Schriftstellerin Lotte Ingrisch verheiratet. Sie schrieb Librettos für zahlreiche seiner Werke. Nach 1973 verbrachte er die meiste Zeit in der ländlichen Umgebung des Waldviertes. Den Großen Österreichischen Staatspreis erhielt er 1965. Er war evang. H.B.

 

 

Aus: Aus: Monika Salzer/Peter Karner: Vom Christbaum zur Ringstraße. Evangelisches Wien. 2., verbesserte Auflage, Wien 2009, S. 59 – 61

 

Der Wienerlied-König

Was ein „Weanerherz“ fühlt, quält und was ihm Lust bereitet, wusste Ernst Arnold genau. Wer solche Voraussetzungen mitbringt, musste die Herzen der Wiener erobern. Ernst Arnold war einer der bekanntesten Wienerliedsinger. Aber nicht nur als Interpret war er berühmt, auch als Texter und Komponist. Er schuf an die 800 Lieder, darunter Welterfolge wie „Da draußen in der Wachau“ und „Du, nur du“. Viele seiner Lieder werden heute noch beim Heurigen gesungen – und selbstverständlich können die Leute den Text auswendig, z. B. „Beim Burgtor am Michaelerplatz“, „I waß an Wein“, „Wenn dich die Menschen auch kränken“ – und eines der meist gesungenen Wienerlieder überhaupt: „Wenn der Herrgott net will, nutzt es gar nix …“ – für die Calvinisten (evang. H. B.) ein populäres Lied über die Prädestination. Dass alles irgendwie vorherbestimmt sei, davon sind ja die meisten Wiener bis heule überzeugt, aber Arnolds Lied bindet die Vorherbestimmung gut biblisch an Gott an und nicht an ein blindes Schicksal!

Künstlernamen haben sie sich zugelegt, die Brüder Ernst und Fritz Jeschkc, nämlich Ernst Arnold und Fritz Imhoff. 1917 komponierte Ernst sein erstes Couplet, 1920 seine ersten Weltererfolge. 1924 sang Arnold als Erster im Radio und erlangte große Popularität. Auch als Vortragskünstler und Conférencier war er sehr begehrt. Natürlich besang er die typischen Inhalte dieses Genres. Nach dem Zweite» Weltkrieg waren seine Lieder hochaktuell und ein Zeichen von Vergangenheitsbewältigung, aber auch von neuer Hoffnung. So sang er gegen die Überschwemmung durch amerikanische »Kultur«:

Für das Wienertum zu Kämpfen ist daher mein schönstes Ziel
Und ich bin und bleib ein Wiener, mag da kommen, auch was will!
Da wir wieder neu beginnen soll ein Jeder sich besinnen
Auf die große Tradition vom Österreicher–Land!
Wiener Kunst, die ist uns lieber als wie das “Hey babariba“
Solche Lieder sind für Wien nur eine Schand!
Jawohl!

Besonders lag ihm der Wiederaufbau der zu 16 Prozent zerstörten Stadt am Herzen:

Wien, du trägst heut ein Bettlerkleid,
So wie fast alle Wienerleut.
Und warst doch einst die Kaiserstadt,
Die viel Glanz gesehen hat.
Das ist dahin …

Auch der Staatsvertrag, bis 1955 ein Dauerbrenner bei allen Kabarettisten, kam bei ihm vor:

Den Staatvertrag, den krieg’n ma – klar!
Man spricht darüber schon.
Wir warten höchstens noch drei Jahr, der rennt uns net davon.

Arnold genierte sich auch nicht, auf das »Sieg, Heile«-Gebrüll der Wiener auf dem Heldenplatz beim Einzug Hitlers 1938 anzuspielen:

Erzherzog Karl und den Prinz Eugen
Sieht man am herrlichen Heldenplatz stehn.
Der einst gepflegt war und aus diesem Grund
Musst an der Leine gehen dort jeder Hund.
Aber die Menschen, die durften frei laufen,
Aufmärsche gab’s dort in Massen und Haufen …
Und was die Menschen aus dem Platz gemacht
Hätten die Hunde nie fertig gebracht.

Und auch das zwangsläufig »babylonische-Nachkriegs-Wien war ein Thema:

Wien ist eingeteilt jetzt in vier Zonen,
Können Sie mir sag’n, wo werd ich wohnen?
Was ist eigentlich mit mir jetzt los?
Bin ich englisch oder ein Franzos ? 1 waß net!
Wirklich schwer hat ’s heute unseraner,
Is‘ man Russ oder Amerikaner?
Und das Eine ich gern wissen tät:
Ob man in Wien heut wienerisch noch red ‚t
’s ist blöd!

 

Aus: Monika Salzer/Peter Karner: Vom Christbaum zur Ringstraße. Evangelisches Wien. 2., verbesserte Auflage, Wien 2009, S. 29–30.