Georg Traar – Zehn Bände Bittbriefe für die Evangelische Schule

Eine Geschichte erzählt davon, dass der bekannte Nachkriegs-Superintendent der Evangelisch-Lutherischen Diözese, Georg Traar, gemeinsam mit dem damaligen Bischof Gerhard May das Burgenland bereiste, um Eier und Abendmahlswein für die Menschen in Nachkriegswien zu organisieren. In einer unvergleichlichen persönlichen Arbeit für die »neue« Lutherische Diözese Wien gab er nach dem Zweiten Weltkrieg den Evangelischen in Wien Heimat, Hoffnung und Ziel.

Als Landesjugendführer war Traar in der Zwischenkriegszeit 1934 für die Gründung des Evangelischen Jugendwerks mitverantwortlich und engagierte sich in der evangelischen Jugendorganisation »Die Kreuzfahrer«. Viele konnte er dafür begeistern, in der Evangelisch-Lutherischen Kirche mitzuarbeiten. Im Krieg war er beauftragt, die kirchliche Jugend um Bibel und Bekenntnis zu sammeln. Nach dem Zweiten Weltkrieg gründete er das Evangelische Hilfswerk in Wien neu, das nach dem Krieg vielen Menschen half und mit Erholungsaktionen für Kinder, Essensausspeisung und Kleidungsaktionen die Menschen unterstützte. Bis heute können sich viele erinnern, wie sie weinten, als sie Obst oder Kartoffeln bekamen.

Mit enormem Engagement setzte er sich für den Aufbau der evangelischen Gemeinden, des evangelischen Schulwesens, den Aufbau der Rundfunkarbeit und die Gründung des Presseverbandes ein. Traar nahm vieles selbst in die Hand, vor allem den Wiederaufbau der Evangelischen Schule am Karlsplatz, dem er sich über zehn Jahre widmete, wobei er auch ein großes finanzielles Risiko in Kauf nehmen musste. Er zitierte immer unbekümmert in Phasen der finanziellen Not das Wort von Gottlieb August Wimmer: »Unser Herr Christus hat noch nie Bankrott gemacht.« Die sensible Kommunikation mit den Politikern nach dem Krieg beherrschte Traar aufs Beste: Er mischte sich nicht in politische Kämpfe ein und konnte dennoch die Politik für den Wiederaufbau gewinnen. Somit half er auch, die Vermögensverhältnisse der Gemeinden, die nach dem Ersten Weltkrieg mehr als 100.000 Kronen durch die Inflation verloren hatten, zu stabilisieren.

Georg Traar war ein Superintendent, der immer in der Mitte der Menschen war und überall selbst zupackte. In seiner Ansprache in der Evangelischen Schule am Karlsplatz zur Enthüllung einer Erinnerungstafel an ihn 1979 sagte Traar: »Ich wüsste nicht, was ich als wichtiger erachtet hätte als den Aufbau des evangelischen Schulwesens.« Die Zerstörung des Prachtbaus der Evangelischen Schule am Karlsplatz, erbaut durch den Ringstraßenarchitekten Theophil von Hansen, und die Aktionen der Restaurierung füllen zehn Bände mit Bittbriefen; es gab eine Briefmarkenserie zum Wiederaufbau, einen Baugroschen, eine Straßensammlung, Jubiläumsmünzen und vieles mehr. 1961 war die Schule wiederhergestellt, der Empfang zu diesem Anlass fand unter Beteiligung der Regierung und vieler Honoratioren im Belvedere statt.

 

Aus: Monika Salzer/Peter Karner, Vom Christbaum zur Ringstraße. Evangelisches Wien. (2. verb. Aufl., Wien 2009) S. 146-147.

Jakob Ernst Koch (II.)

Geboren am 28. April 1797 in Wallern, Oberösterreich.
Gestorben am 16. Oktober 1856 in Wallern, Oberösterreich.

Theologe, Pfarrer

Jakob Ernst Koch (II.) war der Sohn von Jakob Koch (1744-1822), dem ersten Pfarrer der Evangelischen Pfarrgemeinde A.B. Wallern an der Trattnach, und studierte ab 1818 Theologie in Tübingen. Nach Ablegung der vorgeschriebenen Examina wurde er 1820 Vikar seines Vaters und 1822 dessen Nachfolger als Pfarrer in Wallern an der Trattnach.

Als das Bethaus seiner Gemeinde so baufällig war, dass eine behördliches Benützungsverbot drohte, entwarf Pfarrer Koch einen qualitativ bemerkenswerten Neubau – die 1851 eingeweiht Dreieinigkeitskirche. Er besaß keine nennenswerten Vorkenntnisse im Baufach und hat er sich das dafür nötige Wissen wahrscheinlich durch die zeitgenössische Kunstliteratur sowie auf Reisen angeeignet. In technischen, vielleicht auch künstlerischen Fragen, ließ er sich vermutlich von Fachkräften, vor allem aber vom ausführenden Baumeister Jakob Dimböck beraten.

Jakob Ernst Koch (II.) machte sich auch um die gesamte evangelische Kirche Österreichs außerordentlich verdient: 1848 trat er als Sprecher der Evangelischen Gemeinden vor dem oberösterreichischen Provinziallandtag für die rechtliche Gleichstellung gegenüber den Katholiken ein, 1849 war er Teilnehmer an der Wiener Vertrauensmännerkonferenz, welche über die Gestaltung der evangelischen Kirchenverfassung beriet. Weiters war er als Abgesandter bei verschiedenen ausländischen kirchlichen Tagungen und hat mit Pfarrer Mücke, Schladming, ein eigenes Gesangbuch für die evangelischen Gemeinden A.B. in Oberösterreich und Obersteiermark herausgebracht.

Ab 1855 war er als Senior in Oberösterreich tätig und wurde noch kurz vor seinem Tod zum Superintendent-Stellvertreter gewählt.

Jakob Ernst Koch (II.) war mit Elisabeth Hofer (1810–1860), der Tochter eines Großbauern in Wallern verheiratet. Dem Ehepaar wurden sieben Söhne und drei Töchter geboren. Von den männlichen Nachkommen widmeten sich drei – Jakob Ernst Koch (III., Superintendent)Josef Friedrich Koch und August Georg Koch – der Seelsorge. Von den anderen Söhnen ist Gustav Adolf Koch zu erwähnen, der Rektor an der Wiener Hochschule für Bodenkultur gewesen ist. Jakob Ernst Koch (IV.) war sein Enkel.

 

Weblinks (Auswahl):

 

Literatur (Auswahl):

  • Karl W. Schwarz, Der Protestantismus im Land ob der Enns zwischen den Fesseln der Toleranz und der Furcht vor der „Volkssouveränität“. Notizen zur „Predigerkonferenz“ in Gmunden 16. Juli 1849. ©Oberösterreichischer Musealverein – Gesellschaft für Landeskunde. (https://www.zobodat.at/pdf/JOM_160_0499-0509.pdf – abgerufen am 13.3.2022)
  • Michael Schiebinger, Sakralbau des Vormärz in Österreich zwischen josephinischer Kontinuität und Stilpluralismus. Band 1 von 2. (Diss. Universität Wien 2015) S. 425.  (https://othes.univie.ac.at/38945/1/2015-05-07_0702582.pdf – abgerufen am 10.10.2021)

Eine Wolke von Zeugen – Helmuth Pommer

Von Gustav REINGRABNER

Am 12. Februar 1967 verstarb im 84. Lebensjahr der frühere Pfarrer von Krems und Bregenz Professor Helmuth Pommer, nachdem er seit 1961 in Bregenz im Ruhestand gelebt hatte. Schon seine Amtszeit in Bregenz zeigt, in wie hohem Maße Pommer, wie auch andere Geistliche an anderen Orten – die Entwicklung von Gemeinden und der Kirche beeinflusst hat, wie auch er selbst in den geistigen Strömungen der Zeit stand. Pommer ist im Jahr 1917 zum Pfarrer von Bregenz gewählt worden, hat dort also die gesamte Entwicklung vom Ende des Ersten Weltkrieges bis weit in die Wiederaufbauphase nach dem Zweiten Weltkrieg mitgemacht und gestaltet.

Bevor Pommer nach Bregenz gewählt wurde, war er Pfarrer in der jungen Gemeinde in Krems. Diese war als Los-von-Rom-Bewegung  gegründet worden, bildete zunächst ein Vikariat von St. Pölten und erstreckte sich bis weit ins Waldviertel hinein. Sie war ganz notdürftig in Räumlichkeiten untergebracht, die der erste Vikar von Krems, Max Monsky, hatte auftreiben können. Ein Teil eines aufgelassenen Klosters (heute ist dort die Weinakademie untergebracht) hat der Pfarrgemeinde für ihre Arbeit als Räumlichkeit gedient. Pommer, der 1906 aus Morchenstern nach Krems gekommen war, hat seine wichtigste Arbeit darin gesehen, der Gemeinde in Krems zu einem Gotteshaus zu verhelfen. Man kann sich heute gar nicht mehr vorstellen, welche Widerstände in der Stadt und vonseiten der katholischen Amtskollegen gegen die Errichtung einer evangelischen Kirche, die noch dazu den Namen „Heilandskirche“ tragen sollte, entgegengebracht wurde. Es ist fast ein Paradox, dass heute in Krems jene Straße, die unmittelbar an der evangelischen Kirche vorüberführt, den Namen jenes Propstpfarrers trägt, von dem der heftigste Widerstand ausgegangen ist.

Pommer gelang es, seinen Freund, Architekt Professor Otto 8artning, dazu zu bewegen, die Pläne für die Kremser Kirche zu zeichnen. Diesen hatte er in den Tagen seines Studiums in Halle an der Saale kennengelernt; Bartning war damals eben dabei, sich zu einem der führenden Architekten im Bereich des evangelischen Kirchenbaus zu entwickeln. Bartning hat den Entwurf für die Kremser Kirche vorgelegt, die seinem Verständnis von Gemeinde und Kirche entsprach: Die Gemeinde sollte sich um Kanzel und Altar sammeln, wenn Gottes Wort sie erreichen sollte, darum konnte es keinen Mittelgang geben, der vorwiegend menschlicher Eitelkeit diente, darum waren um den fünfeckigen Kirchenbau geschlossene dreiteilige Bänke gereiht, die rechts und links je einen breiten Gang hatten. Die Kirche in Krems konnte allem Widerstand und wirtschaftlichen Schwierigkeiten zum Trotz gebaut werden, sie stellt einen der wenigen frühen modernen Kirchenbauten im evangelischen Österreich dar.

Es war kein Zufall, dass Pommer auf die Gestaltung des Raumes für den Vollzug des Gottesdienstes besonderen Wert legte, hat er doch von seinem Vater nicht nur die Verankerung im deutschnationalen Denken geerbt, sondern auch die Verbindung von Glaube und Zuwendung zur Welt. Kirche war für ihn nie eine Ghettoangelegenheit, Glaube nicht eine Sache des frommen Konventikels. Beide hatten sich in der Auseinandersetzung mit der Welt zu bewähren und beiden konnte es nur darum gehen, dass man die Dinge, die in dieser Welt und dem Leben in geistigen Werten vorhanden waren, benutzte und aufgriff und mit dem Glauben und dem Bekenntnis, soweit es nur ging, verband. Der Kirchenbau durch Otto Bartning in Krems ist ein Beispiel dafür, wie Helmuth Pommer dachte.

Das zweite Beispiel für die geistige Haltung Pommers war die Weiterführung der Ansätze, die der Vater im Bereich der Volksliedforschung aufgegriffen hatte. Dr. Josef Pommer  war einer der Pioniere der Volksliedforschung in Österreich gewesen, das jüngste seiner Kinder, Helmuth, hat vom Vater die musikalische Fähigkeit und das organisatorische Talent geerbt. Schon in den zwanziger Jahren kam es in Bregenz dazu, dass Helmuth Pommer eine Sängerrunde „Deutsches Volkslied Bregenz“ gründet. Diese erwies sich als Sammelstelle der mannigfachen und vielfältigen Bemühungen Helmuth Pommers um die Sammlung und Darbietung volksmusikalischer Schätze. Dabei hat Pommer weit über Vorarlberg hinaus gewirkt. Wichtig waren etwa 21 Volksliedwochen auf der Wülzburg  bei Weißenburg in Bayern. Jede dieser Volksliedwochen wurde mit einem Schlusssingen in der evangelischen Lorenzkirche in Nürnberg  beendet. Dieses Schlusssingen tat kund, dass im Zeugnis der Choräle und ihrer alten Sätze das Herzstück von Helmuth Pommers Wesen und Leben verborgen war.

Neben solcher Arbeit stand für den Bregenzer Pfarrer die Sorge um die angemessene Vertretung des Protestantismus im „Ländle“. Dort war es trotz der Existenz vieler angesehener evangelischer Familien dennoch nicht so einfach, evangelisch zu sein. Noch 1950 musste es Helmuth Pommer erleben, dass die Marktgemeinde Lustenau den bis dahin zur Verfügung gestellten alten Schulraum der Kirchengemeinde kündigte. Proteste dagegen hatten keinen Erfolg. Pommer war genötigt, in Lustenau eine Notkirche errichten zu lassen; das gelang ihm in wenigen Monaten. Als Mitglied des Landesschulrates, als Sprecher der Vorarlberger Protestanten kam Helmuth Pommer durch viele Jahrzehnte eine wichtige Rolle zu. Dabei ist zu sehen, dass sich während seiner Zeit die Situation der Vorarlberger Gemeinden innerlich wie äußerlich verbessert hatte, dass die Zahl der Evangelischen zugenommen hat, wobei ein allmählich immer deutlicher werdendes Überwiegen der Lutheraner gegenüber den Reformierten festgestellt werden musste. Das kam allerdings in der konkreten Arbeit nicht so sehr zum Ausdruck. Die Vorarlberger Gemeinden waren interkonfessionell-ökumenisch-evangelisch. Da fragte man nicht nach dem konfessionellen Zuhause, da wusste man sich im gemeinsamen Haus des Protestantismus geborgen. Und Helmuth Pommer konnte aus seiner Überzeugung von Glaube und Bekenntnis dazu voll und ganz „Ja“ sagen.

Natürlich gab es die Enttäuschung, die der Nationalsozialismus dem durchaus national eingestellten Pommer bereitete. Er konnte seine Enttäuschung nicht verbergen als 1938 in Vorarlberg jeder der in der NSDAP eine Verantwortung hatte, zum Austritt aus der Evangelischen Kirche genötigt wurde. In seinem Jahresbericht 1938 hat Pommer das auch sehr deutlich gesagt, dass viele Parteigenossen, vor allem auch solche in leitenden Stellen, „über Nacht vergessen haben, was die evangelische Kirche in Österreich für den nationalen Gedanken, abgesehen vom Religiösen, geleistet hatte, wie sie in der Systemzeit sich der Verfolgten angenommen und vielen Heimat und Heimstätte ihrer Gesinnung und ihrer völkischen Hoffnung bot, und sich nun darin gefallen, in die Ludendorffsche Kerbe von der Unvereinbarkeit des Christentums mit nationaler Gesinnung kirchlicher Zugehörigkeit und Nationalismus einzuhauen und so die Köpfe und Gewissen unsicher zu machen.“ Es war nicht einfach, unter diesen Umständen die Spannung von nationaler Begeisterung, die sich auf Luther berief, und der evangelischen Überzeugung, die erst recht ihren Berufungsgrund in Luther hatte, auszuhalten. Dass aber Pommer stets den Vorrang des Evangeliums bekannte und vertrat, ist einleuchtend, und dass nicht nur er, sondern auch seine Familie das Zeugnis vom Evangelium als Grund ihres Lebens akzeptierte und weiterzugeben bemüht war, beweist nichts besser als das, dass auch einer seiner Söhne Pfarrer geworden ist.

Pommer selbst hat durch seine Tätigkeit in Vorarlberg viele Spuren hinterlassen, wichtige Entwicklungen der Nachkriegszeit sind durch ihn initiiert worden, der Umbau der Gemeinden, wie er sich aus der Veränderung der sozialen Schicht ergeben hat, ist im wesentlichen Pommers Werk gewesen. So war er ein Zeuge für seinen Herrn Jesus Christus.

 

Aus: Glaube und Heimat 1990, S.42-45.