Theodor von Hornbostel – Die Österreichische Creditanstalt

Theodor von Hornbostel war ein so vielfältiger Geschäfts-, Politik- und Kirchenmann, dass sich sein Leben wie eine Sammlung von Gründungen liest. Die Ursprünge der Familie lagen in drei Generationen von evangelischen Pfarrern. Sein Vater Christian Georg Hornbostel (1778-1841) erbte schon von seinem Vater Christian Gottlieb Hornbostel (1742-1809), der 1768 von Hamburg nach Wien gekommen war, eine Seidenzeugfabrik und erwarb dazu die Gumpendorfer Fabrik seines Landsmanns Engelbert König von dessen Witwe Eva König, die später den Dichter Gotthold Ephraim Lessing heiratete.

Nach dem Tod von Christian Gottlieb Hornbostel führte seine Witwe Maria Susanna die Firma mit ihrem Sohn Christian Georg Hornbostel fort. Dieser erfand den ersten mechanischen Seidenwebstuhl und machte die beiden Unternehmen zur ersten Seidenfabrik Wiens. 1816 verlegte er einen Teil der Fabrikation nach Leobersdorf (Niederösterreich), wo er eine durch Wasserkraft angetriebene mechanische Weberei errichtete. Des Weiteren führte er die Erzeugung von Crêpe de Chine in Österreich ein, die dem Vergleich mit der exquisiten Qualität südfranzösischer Ware standhielt, und bemühte sich um die Errichtung einer Seidentrocknungsanstalt in Wien. 1816 war er Mitbegründer der Österreichischen Nationalbank (ÖNB) und viele Jahre deren provisorischer Direktor. Seine beiden Söhne Otto und Theodor führten die Firma weiter.

Lithographie von Franz Eybl, 1849
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Nachdem Theodor Hornbostel mit 26 Jahren gemeinsam mit seinem Bruder die Gumpendorfer und die Leopoldsdorfer Seidenfabrik seines Vaters übernommen hatte, machte er sich auch an die politische Arbeit. 1844 wurde er in die Hofkommission zur Leitung der Industrieausstellung in Wien 1845 berufen, schon 1848 war er Mitglied des permanenten Wiener Bürgerausschusses, den er im Mai und Juni leitete. Als Handelsminister in die Regierung berufen, war Hornbostel 1848/49 Mitglied des Reichstags zu Kremsier.

Hornbostels Karriere, der wie viele Protestanten im Rahmen der Revolution 1848 mehr Bürgerrechte für die Evangelischen erhoffte, setzte sich jedoch unvermindert fort. Von 1848 bis 1852 war er Präsident des von seinem Vater mit Rudolf von Arthaber u.a. gegründeten Niederösterreichischen Gewerbevereins, von 1850 bis 1852 auch Präsident der Wiener Handelskammer, und im Verwaltungsrat der neu gegründeten Österreichischen Creditanstalt, deren Präsident er 1886 wurde. 1857 gehörte er zu den Begründern der Wiener Handelsakademie. Er war ein schwärmerischer Anhänger konstitutioneller Prinzipien und spielte auch im Juridisch-Politischen Leseverein eine bedeutende Rolle.

Neben seinem Engagement in Politik und Industrie war Theodor von Hornbostel aktiv in der Evangelischen Pfarrgemeinde A.B. Wien tätig. Schon sein Vater war (seit 1794) Mitglied des Vorsteherkollegiums der evangelischen Gemeinde A. B. gewesen sowie Deputierter der Evangelischen Schule. 1847 ist Theodor von Hornbostel ist in das Vorsteherkollegium aufgenommen worden, wurde 1849 Dirigent und 1864 in das höchste Laienamt der Gemeinde als Kurator gewählt. Er setzte sich unter anderem für den Bau einer evangelischen Kirche in Gumpendorf ein. Die Gustav-Adolf-Kirche in Wien-Gumpendorf, erbaut nach den Plänen der Ringstraßenarchitekten Ludwig Förster und Theophil Hansen, ist die größte evangelische Kirche Österreichs sowie die älteste evangelisch-lutherische Kirche in der Wiener Vorstadt. Noch heute gibt es den kleinen Seiteneingang in der Hornbostelgasse, der an die strengen Auflagen des Toleranzpatentes (kein Turm, keine äußerlich sichtbare Kirchenfassade) erinnert.

Sein Enkel Theodor von Hornbostel (1889-1973) war als österreichischer Diplomat in Ungarn und der Türkei tätig. Ab 1933 leitete er die politische Abteilung des Außenamts, danach wurde er wieder Gesandter. Sein Eintreten für die Unabhängigkeit Österreichs musste er mit dem Konzentrationslager Dachau bezahlen, in dem er von 1938 bis 1943 blieb. 1953 gründete der große Diplomat das Forschungsinstitut für den Donauraum. Er war Mitglied der Evangelischen Kirche A.B., konvertierte aber 1938 zum Katholizismus.

 

Aus: Monika Salzer/Peter Karner: Vom Christbaum zur Ringstraße. Evangelisches Wien. 2., verbesserte Auflage, Wien 2009, S. 93–94.

Eine Wolke von Zeugen – Matthias Keimprecht

Von Gustav REINGRABNER

Am 19. März 1858 verstarb der Besitzer des Kreitner Gutes in der Gemeinde Gröbming, Matthias Keimprecht. Er war nicht nur Landwirt sondern stand auch an der Wiege der evangelischen Gemeinde seiner Heimat. Und so erschien auch bald nach seinem Tode ein Nachruf auf ihn in einer evangelischen Zeitschrift der nicht nur etwas über das Leben dieses Mannes aussagt, sondern auch ein lebendiges Bild von der Lage der österreichischen Toleranzkirche gibt. So soll dieser ein wenig gekürzt – hier in der „Wolke von Zeugen“ seinen Platz finden, war der Mann, dem er galt, doch einer jener nicht im Rampenlicht der Öffentlichkeit stehenden Evangelischen in unserem Lande, die Entscheidendes zur Entwicklung der Kirche beigetragen haben. Dieses Lebensbild ist weit über die konkrete Biographie des „Kreitners“, wie er nach seinem Hause genannt wurde, hinaus von Bedeutung.

„Wenn du, lieber Leser, durch das freundliche Ennstal von Schladming nach Gröbming wanderst, so liegt eine Viertelstunde östlich vom Dorfe Pruggern der schöne Kreitnerhof vor dir, mit seinen ebenen, weit ausgebreiteten Feldern. Schon die äußere Gestalt des Hauses selbst und der dasselbe umgebende neu angepflanzte Obstgarten zeigen. uns sichre Spuren von der Wirksamkeit eines verständigen Landmannes. Nun aber wollen wir einen Blick in das Innere dieses Hauses werfen. Hier am Dachboden desselben befindet sich der Betsaal, in welchem sich die evangelische Gemeinde Gröbming beinahe durch zehn Jahre versammelte, um das tröstliche Wort vom Kreuze zu vernehmen; hier wurde alle drei Wochen durch den Herrn Vikarius Haupter aus der Muttergemeinde Schladming Gottesdienst mit Christenlehre, zuweilen auch Abendmahl und Taufe gehalten. In diesem Betsaale, der die ganze Länge des Hauses einnimmt, sind regelmäßig Stühle angebracht, ein förmlicher Altar hergestellt, der dem Prediger jedoch auch zur Kanzel dienen musste. Die Seitenwände des Betsaales, so wie auch die Decke bestehen aus weiß angestrichenen Brettern. Die Herstellung desselben mag trotz seiner Einfachheit dennoch einige Hundert Gulden gekostet haben, welche der greise Verstorbene größtenteils aus eigenen Mitteln bestritt. Wenn der Sonntag nahte, an welchem wieder Gottesdienst in seinem Haus gehalten werden sollte, so war eine große Bemühung, den Betsaal rein herzustellen und für Tafelgedecke des Herrn Pfarrers Sorge zu tragen. Oft hörte ich auch aus seinem Munde den Ausruf: „Wir können dem lieben Gott nicht genug dafür danken, dass wir noch einen Gottesdienst haben können; wir sind nicht wert, was Gott an uns tut.“

Ebenso beschäftigte sich Matthias Keimprecht mit der Errichtung einer eigenen Schule. Die evangelische Gemeinde Gröbming kaufte im Jahre 1844 im Dorfe Pruggern zum Zwecke einer Schule ein Bauernhäuschen mit zwei kleinen Grundstücken. In dieser morschen und elenden Hütte, wo man nicht, ohne Gefahr zu laufen sein Leben durch Einsturz einbüßen zu müssen, wohnen konnte, musste J. Mayer durch beinahe ein Jahr die Schule halten, bis sie niedergerissen wurde und die Gemeinde ein neues Schulhaus aus Holz erbaute. Fehlte zu diesem Bau Holz oder war Mangel an anderen Materialien, so brauchte man sich nur an den Kreitner wenden; er war der Mann, der in den meisten Fällen half. Da ich volle sieben Jahre als Lehrer an der neu gegründeten Schule zu Pruggern wirkte und den vertrautesten Umgang mit Keimprecht hielt, so kann ich viele seiner edlen Taten aufzählen, die er nicht nur an mir, sondern auch an vielen seiner Mitmenschen, ohne auf die irdische Belohnung Anspruch zu erheben, ausübte. Mit vollem Recht verdient Matthias Keimprecht als einer der ersten Gründer der evangelischen Gemeinde Gröbming genannt zu werden. Als die neue evangelische Kirche zu Gröbming zum gottesdienstlichen Gebrauche hergestellt worden war, ließ Keimprecht den Betsaal noch zum Andenken in seinem Hause stehen und verwendete denselben zu seinen Erbauungsstunden, indem er seine große Bibel dort stets aufgeschlagen hielt.

Wer den Kreitner sprechen hörte, der glaubte, ein noch jugendliches Gemüt vor sich zu haben. Seine Erzählungen, besonders die religiösen, waren so lehrreich, dass sich jedermann daran erbauen konnte: Als der evangelische Glaube in Schladming aufkam, fing ein geborener Schladminger, namens Waldhuber, an, mit einigen Kindern von evangelisch gesinnten Eltern Unterricht zu halten. Als dieses die Geistlichen erfahren hatten, wurde Waldhuber sonntags von den Dienern abgeholt und in die Kirche zum Gottesdienst gebracht. Dort musste er seinen Platz unter der Kanzel nehmen und den Geistlichen während der Predigt gerade ins Gesicht sehen. Da dieser Zwang zu einer Bekehrung fruchtlos blieb, so führte man denselben in das Kloster Admont zum Herrn Prälaten. Dieser führte ihn in die große, im Kloster befindliche Bibliothek. Waldhuber staunte, als er die vielen Tausend Bände erblickte und sagte: ‚Hier wird der rechte Grund wohl liegen.‛ Der Prälat zeigte auf ein großes Buch und sagte: ‚Hier ist er.‛ Waldhuber fragte: ‚Hier im Kloster werden doch alle davon wissen?‛ Der Prälat antwortete: ‚Nein, davon weiß nur ich und noch einer im Kloster.‛ Waldhuber wurde wieder entlassen, und als das Toleranzpatent veröffentlicht wurde, berief man Waldhuber zum ersten evangelischen Lehrer zu Schladming. Dergleichen Geschichten wusste Keimprecht eine Menge zu erzählen. Sein frommes Andenken wird in der evangelischen Gemeinde Gröbrninq, wo er so viel Gutes stiftete, fortleben.“

 

Aus: Glaube und Heimat 1983, S.36-37.

 

Weblinks (Auswahl):

 

Gröbming

Gröbming ist eine Marktgemeinde im Bundesland Steiermark und Verwaltungssitz der Expositur Gröbming im Bezirk Liezen (Gerichtsbezirk Schladming).

Gröbming war bis 1595 dem Hoch- und Erzstift in Salzburg zugehörig, danach wurde es den Landesfürsten von Steiermark unterstellt. In der Reformationszeit nahmen dessen Bürger und benachbarte Bauern den evangelischen Glauben an und Gröbming wurde zu einem kleinen Refugium für die Anhänger Martin Luthers.

1570 ist Martin Schröffel als erster lutherischer Pfarrer und Prediger in sein Amt eingesetzt worden. 1599 wurde er vertrieben und Gröbming wieder katholisch. Doch einige Prädikanten fanden in der Nähe von Gröbming Unterschlupf. So soll eine Almhütte im Schimpeltal, genannt „Teufelskirche“, den Prädikanten Wohn- sowie Lehrmöglichkeit geboten haben, und eine Almhütte am Ahornsee, genannt das „Heidenkirchlein“, soll auch Gottesdienststätte gewesen sein.

Im Jahr 1781 gab es PruggernMichaelerberg und Gössenberg insgesamt nur fünf evangelische Familien. Die evangelische Gemeinschaft wurde vom Evangelischen Pfarramt in Schladming betreut und ist rasch größer geworden. 1829 suchte man um die Bewilligung zur Errichtung eines Betshauses und einer Schule in Gröbming an, doch das Gesuch wurde ablehnt. Erst 1848 erreichte Lorenz Moosbrugger (vulgo Loy), später erster Kurator der Gemeinde, nach mehreren Vorsprachen von Kaiser Ferdinand I die Erlaubnis zum Bau einer Kirche mit Turm und Glocke. Als Standort wurde Gröbming ausgewählt.

In den letzten Jahren vor der Gemeindegründung und dem Kirchenbau war der Kreitnerhof (Kräutnerstall) bei Pruggern Gottesdienstzentrum. Sein Besitzer, der einfache Bauer Matthias Keimprecht, hatte auf dem Dachboden seines Hauses (Tenne über dem Kuhstall) einen Betsaal eingerichtet und alles zum Gottesdienste Nötige auf eigene Kosten beigestellt. Er sorge auch für Holz und andere Materialien, die zum Baue der Dorfschule in Pruggern nöthig waren.

Die Evangelische Pfarrgemeinde A.B. Gröbming wurde im Jahre 1852 gegründet und war damals die kleinste und ärmste Pfarrgemeinde der Steiermark.

Foto Peter Lauppert
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Der Grund für die evangelische Kirche, das Pfarrhaus, den Friedhof sowie eine kleine Landwirtschaft schenkte Lorenz Moosbrucke der Gemeinde, da die Gröbminger Bürger den Anhängern des Protestantismus kein Grundstück verkauften wollten. Die Kirche wurde zwischen 1850 und 1852 gebaut und 1853 eingeweiht. Sie hatte bereits Turm und Glocke.

 

Das Stoderkircherl (1898 m) 
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Das „Friedenskircherl“ am Südhang des Stoderzinken ist die bekannteste „evangelische“ Sehenswürdigkeit dieser Gegend und ist nur zu Fuß erreichbar. Emil Ritter von Horstig hat es 1902 erbaut und nicht einweihen lassen, weil es allen Konfessionen offen stehen sollte.

 

Weblinks (Auswahl):

 

Literatur (Auswahl):